Arme Schweine
Nach dem letzten Verhandlungsstand werden die Vollspaltenböden in der Schweinehaltung im Jahr 2040 definitiv abgeschafft. Bis dahin gibt es für die Tiere einige Erleichterungen, was nichts daran ändert, dass die meisten der heute lebenden Schweine bis an ihr Ende mit den Vollspaltenböden gequält werden.
Den Grünen ist es nicht zu peinlich, die dem Koalitionspartner abgerungene „Lösung“ als Erfolg zu preisen. Grundsätzlich ist es ja keine Schande, wenn man sich als der kleinere Partner in einer Regierung nicht durchsetzen kann. Dies gilt auch dann, wenn man angesichts der schwer angeschlagenen ÖVP den Grünen eigentlich eine bessere Verhandlungsposition zubilligen würde. Offenbar sind die beiden Parteien in der Angst vor dem Machtverlust auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet.
Es war Wolfgang Schüssel, der 2002 mit dem Wahlversprechen, für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu sorgen, die Gunst der mächtigen Kronenzeitung gewann, die zu einem nicht geringen Teil zum Wahlerfolg beitrug. Bundeskanzler Schüssel konnte sein Vorhaben mit Leichtigkeit umsetzen, die anderen Parteien waren für eine Zentralisierung schnell zu haben. Die widerstrebenden Bauern in der eigenen Partei konnten mit dem Versprechen gewonnen werden, dass österreichweit einheitliche Standards dafür sorgen würden, dass einzelne Länder nicht mehr mit strengeren Vorschriften vorpreschen konnten. Außerdem war zu hoffen, dass das von der ÖVP besetzte Landwirtschaftsministerium allzu forsche Forderungen nach mehr Tierschutz abwehren würde. Das ist heute, gut 20 Jahre danach, noch immer so.
Die einheitlichen Standards im Tierschutz sind nicht prinzipiell schlecht, weil sie verhindern, dass das Schutzniveau noch weiter reduziert werden kann. Sie verhindern aber auch jegliche Innovation in Verbindung mit der vom Landwirtschaftsministerium repräsentierten Bauernlobby. Man hätte seinerzeit so viel intelligentere Lösungen im Interesse des Tierschutzes entwickeln können, wie z.B. die Möglichkeit, dass die Länder strengere Regelungen als der Bund erlassen dürfen. Dann würde jetzt das eine oder andere Land die Vollspaltenböden zu einem viel früheren Zeitpunkt abschaffen und es käme zu einem positiven Wettbewerb um das Tierwohl.
Aber föderalistischer Wettbewerb war nicht nur der Bauernlobby ein Gräuel, sondern auch den Grünen, die kein Interesse an einem Tierschutz hatten, der nicht einheitlich ist. Sie bekommen jetzt die Rechnung präsentiert und dürfen ein Scheitern zu Lasten der Tiere als Erfolg verkaufen. Arme Schweine!
„Föderalistischer Wettbewerb war nicht nur der Bauernlobby ein Gräuel, sondern auch den Grünen.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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