Wenn es an Mitarbeitern fehlt

Betroffene Unternehmerinnen berichten von den Herausforderungen, den Ursachen und ihrer Reaktion darauf.
Feldkirch, Dornbirn In Vorarlberg gab es mit Ende Juni so wenig Arbeitslose wie zuletzt im Juli 2002. Die Unternehmen tun sich extrem schwer, Arbeitskräfte zu finden, das bestätigt auch das AMS. Auch über dem Supermarkt von Elisabeth Jäger hängt groß das Plakat mit der Stellenausschreibung. Innen ist die Frischtheke nur mehr am Vormittag geöffnet, so knapp ist es mit dem Personal.
Jeweils fünf Mitarbeiter in zwei Schichten braucht die 42-Jährige, damit alles rund läuft. Derzeit sind es zwei 3er-Schichten im Spar am Sebastiansplatz in Feldkirch. „Dies reicht für den normalen Service auf der Fläche“, erklärt Jäger. Sprich, von der Büroarbeit über die Lehrlingsausbildung bis hin zum Einräumen der Regale bleibt vieles auf der Strecke. Seit Monaten läuft der Laden im Notbetrieb. „Wir versuchen so viel wie möglich von den Mitarbeitern fernzuhalten, aber alle sind an der psychischen Grenze“, weiß sie. Sie und ihre Stellvertreterin Sabrina Iseli kommen seit Monaten auf 70 Stunden die Woche, trotzdem sind überall offene Baustellen.
Die Personalsuche ist mehr als schwierig: Unerfüllbare Vorstellungen bei der Arbeitszeit, anfangen will vor dem Herbst niemand. „Eine rechnete mir vor, wie sie mit Zuschüssen nur auf 50 Euro weniger kommt, als wenn sie arbeiten würde“, berichtet Jäger. Dabei zahlt sie über dem im Kollektivvertrag vereinbarten Lohn, ihr Spielraum schrumpft jedoch zwischen Inflation und eingebremstem Konsum spürbar.
Gleichzeitig hat man als Nahversorger eine Aufgabe für die Gemeinschaft zu erfüllen. Es gibt Tage, an denen nur mehr die gezeigte Dankbarkeit der Kunden für die notwendige Motivation sorgt. Sorgen macht sie sich über die gesellschaftlichen Auswirkungen. „Ich weiß nicht, wo das im Großen Ganzen hinführen soll.“
Selbstgewählte Abhängigkeit
„Die Leute müssen sich bewusst machen, dass sie sich vom Staat abhängig machen – und wenn dieser mal Stopp sagt, werden die Jobs nicht mehr da sein“, fasst es Manuela Greber zusammen. Die Dornbirner Gastronomin hat ihr Café aus Personalmangel seit März geschlossen. „Früher war man stolz, ein Teil der Gastronomie zu sein, das ist heute anders“, weiß die 53-Jährige. Der Beruf hat sich verändert, verlangt belastbare Menschen. Und ein Kellner sei immer noch eine Fachkraft und Aushängeschild des Betriebs, kein reiner Tellerschubser. Wie auch Jäger berichtet sie von unvorbereiteten Bewerbern ohne Unterlagen, von mangelnder Verlässlichkeit, Belastbarkeit oder gar Reinlichkeit, was sich bereits beim Vorstellungsgespräch zeigt. Die Gehaltsvorstellungen der Bewerber helfen wenig: „Ich kann keinem Quereinsteiger 2000 Euro im Monat zahlen, wenn der Kaffee nur 2,90 Euro kosten darf.“
Die Wirtin des Café Galerie im Stadtmarkt sieht hier auch ein Versagen der Politik. Niemand will heute mehr nebenbei etwas zuverdienen, aus Angst, um eine Förderung umzufallen. „Fleiß wird bestraft, wenn du durch einen Zuverdienst um die Studentenbeihilfe umfällst“, zeigt sie auf. „Wenn ich nur Geld bekomme, wenn ich nichts habe, welche Grundeinstellung bringt das den Menschen bei?“ Die vergangenen Monate verbrachte Greber ebenfalls nicht mit Däumchendrehen. Ihr Café durchläuft nun eine Digitalisierung. Per App und QR-Code können ihre Gäste künftig bereits von unterwegs ihr Mittagessen oder ihren Kaffee ordern, im Lokal unterstützt bald der Servierroboter BellaBot das Personal. „Damit können sich meine Mitarbeiter auf die Kundenberatung und -bindung konzentrieren, ihre Hauptaufgabe.“ Die Mitarbeiter sind die Ansprechpersonen für die Gäste, der Roboter reine interaktive Servierkraft. Und im Falle des nächsten Lockdowns kann das Café mit ihm sogar kontaktfrei betrieben werden. VN-Rau
„Die Leute müssen sich bewusst machen, dass sie sich vom Staat abhängig machen.“


Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.