„Jedes Vieh hat seinen eigenen Charakter“

Im Sommer lebt die Familie Steurer sowie ihre Pfisterin Klara Reisch auf der Alpe oberhalb von Amerlügen.
Frastanz-Amerlügen Kuhglocken klingen, Murmeltiere pfeifen, aus der Küche dringt der Duft von frisch gebackenem Kuchen. Die Familie Steurer ist wieder auf der Alpe Saroja. Mit dabei sind heuer 210 Stück Jungvieh, drei Milchkühe, zwölf Pferde, vier Alpschweine, zwei Geißen und fünf Hennen.
Bereits den dritten Sommer bewirtschaftet die Familie die Alpe sowie die dazugehörige Voralpe Amerlug oberhalb von Amerlügen. An schönen Sommertagen genießen Pirmin und Katharina Steurer mit ihren Kindern Pius und Martha sowie ihrer 17-jährigen „Pfisterin“ Klara Reisch das Alpenleben mit perfektem Blick auf die Drei Schwestern. Aber auch an Regentagen mit Gewittern verbringen sie die Zeit auf der Jungviehalpe. Als Pfisterin absolviert Klara sozusagen die „Älpler-Lehre“. Später werden aus den Pfistern – wenn sie möchten – Hirten, Sennen oder Alpmeister. Klara hilft dort, wo sie gerade gebraucht wird, und scheut dabei keinerlei Mühe. „Wir sind wirklich froh, dass sie mit uns auf der Alpe ist und uns so tatkräftig unterstützt. Sei es im Stall, bei der Hausarbeit, mit den Kindern oder beim Bedienen der Gäste“, schwärmt Katharina von ihrer Pfisterin.
Ein eingespieltes Team
Bereits ihren vierten Sommer verbringt Klara mit den Steurers auf der Alpe, „für uns gehört sie schon zur Familie“, bestärkt Katharina. Leider wird das ihr letzter Alpsommer sein, denn nächstes Jahr beginnt Klara, nach erfolgreichem Abschluss der Landwirtschaftsschule, eine Ausbildung zur Floristin. Bis dahin konzentriert sich Klara aber noch auf das Jungvieh, das großteils aus der Region stammt. Das Vieh wird von Bauern aus Frastanz, Feldkirch bis runter nach Altach und aus dem Walsertal mit Traktoren und Lkw zur Alpe gebracht. Nur eine Bäuerin aus Amerlügen treibt ihr Vieh noch selbst auf die Alpe. Die ersten drei Wochen verbringt die Familie mit Sack und Pack auf der Voralpe Amerlug. Der Grund dafür ist die frühere Vegetation auf der Voralpe. Amerlug liegt auf etwa 1204 Meter Höhe, die Alpe Saroja hingegen auf 1474. Nach drei Wochen ziehen die Steurers mit ihrer Pfisterin Klara auf die Hinteralpe und verbringen dort den Sommer. Der Viehtrieb von Alpe zu Alpe wird von ihnen selbst durchgeführt, dabei bekommen sie tatkräftige Unterstützung von ihren Familien und Freunden. Etwa zwölf Männer und Frauen trieben das Vieh heuer zur Hinteralpe. Im Herbst ziehen die Steurers und Klara wieder zurück auf die Voralpe und verbringen dort die letzten drei Wochen vor dem Almabtrieb.
Der Alltag auf der Alpe
Der Älpleralltag beginnt früh. Die vier Steurers und Klara stehen täglich um sechs Uhr auf. Während Pirmin die Kühe melkt, die Kälber tränkt und die Schweine füttert, kümmert sich Katharina ums Frühstück und die beiden Kleinkinder. Fürs Frühstück finden sich dann alle fünf Älpler gemeinsam am Tisch ein, genauso wie beim Mittagessen. Das ist der jungen Familie ganz besonders wichtig. Nach dem Frühstück geht Pirmin auf die Weiden zum Jungvieh. Er zäunt um und versorgt kleine Wehwehchen seiner Schützlinge. Sportlich muss ein Hirte definitiv sein, denn Pirmin macht durchschnittlich 20.000 Schritte pro Tag. Zudem zählt er durch, ob alle da sind.
Früh übt sich
Wie Pirmin das Jungvieh erkennt und woher er weiß, welchem Bauer das jeweilige Vieh gehört? Das hat der 30-jährige Hirte schon in jungen Jahren gelernt und bringt es nun seinem Sohn Pius bei. „Anfangs hat das Jungvieh ein sogenanntes Haarmal. Das ist eine Zahl, die man ihnen ins Fell rasiert. Am Ende der Saison muss ich wissen, wohin das Vieh gehört, denn die Zahlen sieht man dann natürlich nicht mehr“, erklärt Pirmin. „Jedes Rind und jede Kuh hat seinen eigenen Charakter. So wie wir Menschen auseinander kennen, erkenne ich das Vieh und weiß, welchem Bauer es gehört. Das ist nichts Außergewöhnliches“, hält der Hirte fest. „Ja, für dich ist das nichts Besonderes“, erwidert seine Frau, Katharina. „Ich denke, da gehört schon auch Talent dazu. Er hat das früh von seinem Vater gelernt. Bei den markanten Rindern und Kühen weiß auch Pius schon, wem sie gehören, und das mit seinen drei Jahren.“ Während Pirmin auf der Weide ist, kümmert sich Katharina um den Haushalt und bewirtet die Wanderer, die auf ihrem Weg zu den Drei Schwestern bei der Alpe Saroja Rast machen. Frischkäse für die Familie stellt die junge Mama selbst her, die Milch dafür stammt von ihren eigenen Milchkühen. Dieses besondere Handwerk hat sie von ihrer Mama gelernt und wird es später auch an Martha weitergeben. Die Herstellung des Frischkäses trägt zu einem natürlichen Kreislauf ihrer Produkte bei. Von den eigenen Milchkühen erhalten sie die Milch für den Frischkäse, die Molke, „den Abfall“, bekommen die Schweine. VN-SAH



Zur Familie
Familie Steurer
bewirtschaftet die Voralpe Amerlug und die Hinteralpe Saroja
Geboren Pirmin am 20. März 1992 und Katharina am 9. Oktober 1991
Ausbildung Pirmin ist gelernter Zimmermann, Katharina hat die landwirtschaftliche Matura absolviert.
Wohnort Sibratsgfäll
Familie verheiratet, zwei Kinder, ein Hund
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