Hohe Dunkelziffer bei Infektionen
Corona: Experte Czypionka schätzt, dass nicht einmal die Hälfte der Fälle erfasst wird.
SCHWARZACH Die Corona-Sommerwelle dauert an. 10.345 Corona-Neuinfektionen sind gestern österreichweit bestätigt worden; davon 449 in Vorarlberg. Das war der höchste Sonntagswert seit dem 10. April. Die Welle dürfte jedoch viel größer als bekannt sein. Der Gesundheitsexperte Thomas Czypionka geht davon aus, dass nicht einmal die Hälfte der Fälle erfasst wird. Das würde bedeuten, dass es schon deutlich über 20.000 Infektionen vom Boden- bis zum Neusiedlersee gibt und allein hierzulande rund 1000 pro Tag. Das würde den Verhältnissen von Ende März entsprechen, als die bisher größte Welle auslief. „Die Dunkelziffer ist sicherlich sehr hoch“, erklärt Czypionka. Um ein realistisches Bild zu erhalten, müsse man einzelne Hinweise gemeinsam interpretieren: Der Anteil positiver Testergebnisse, die Entwicklung der Virenkonzentration im Abwasser und der Hospitalisierungen.
Dass die Zahl bestätigter Infektionen allein an Aussagekraft verliert, liegt laut Czypionka daran, dass es keine Eintrittstests mehr gibt. Man muss etwa kein negatives Ergebnis vorweisen, um ein Lokal besuchen zu dürfen. „Das führt dazu, dass sich sehr viele Menschen gar nicht mehr testen lassen. Sonst sind sie ja die Blöden.“ Sie riskieren, sich – im Rahmen einer gewissen Eigenverantwortung zwar, aber doch – aus dem gesellschaftlichen Leben auszuschließen und sich in Quarantäne begeben zu müssen.
Auf die Frage, ob es in Wirklichkeit zwei Mal mehr Infektionen gebe als bestätigt werden, erklärt Czypionka: „Das ist eher die Untergrenze.“ Darauf schließen lasse, dass ein steigender Teil der Testergebnisse positiv ist, die Virenkonzentration im Abwasser zunimmt und vor allem bei rund 40 Prozent der Spitalspatienten mit Corona eine Infektion erst im Rahmen einer Routineuntersuchung festgestellt wird. In Vorarlberg liegt dieser Anteil laut Krankenhaus-Betriebsgesellschaft sogar bei 80 Prozent.
Glück im Unglück: Vor allem aufgrund der Impfungen seien die Auswirkungen der gegenwärtigen Welle „nicht so dramatisch“, wie Czypionka meint. Umso wichtiger wäre es, zu schauen, dass es zu viel mehr Auffrischungsimpfungen kommt: „Das wäre das Hilfreichste für Herbst und Winter. Es wundert mich, dass hier eine solche Lethargie herrscht.“
Im Bodenseeraum zeigt sich, dass das bestätigte Infektionsgeschehen von Region zu Region unterschiedlich weit vom tatsächlichen abweichen dürfte. In der Schweiz sind fast alle Coronamaßnahmen ausgesetzt. Dort wird in einer Woche nur etwa so viel getestet wie in Österreich an einem Tag. Der Anteil positiver Ergebnisse lag dort zuletzt bei fast 50 Prozent, in Österreich bei knapp 16. JOH
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.