Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Kultur statt Alkohol

Vorarlberg / 19.07.2022 • 22:07 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Demokratie beruht auf Freiwilligkeit. Niemand wird gezwungen, in ihr zu leben. Sie ist allerdings auch nicht selbstverständlich. Diese Erfahrung machten Österreicherinnen und Österreicher vor Jahren bei ihrer Entscheidung für den Islamischen Staat (IS) zu kämpfen. Die Republik fördert ihre Rückkehr trotz der prinzipiellen Verantwortung gegenüber diesen Staatsbürgern nur sehr zögerlich. Dass damit Kinder bestraft werden für Vergehen ihrer Eltern, ist in Österreich leider nicht neu und müsste längst die Kindeswohlkommission auf den Plan rufen. Doch das ist eine andere, wenig ruhmreiche Geschichte.

Die historische Idee von Demokratie ist ein freiwilliger Vertrag zwischen Bürgern einerseits und zwischen Volk und Herrschern andererseits. (Erst viel später kamen die *innen dazu). Demokratie beruht also auf Bereitwilligkeit. Der größte Anteil von Menschen, die in unserem Land leben, muss den größten Teil der Regeln und Gesetze einhalten. Tatsächlich wurde 2021 nur 0,3 Prozent der Bevölkerung rechtskräftig verurteilt. Hinzu kommen Dunkelziffer und Kavaliersdelikte, dennoch sind wir weit entfernt von der Notwendigkeit eines Polizeistaates. Das ist deshalb zentral, weil der Politik oft nichts anderes überbleibt als uns zu bitten: Impfen zu gehen, Energie zu sparen und bald wohl auch aufgrund des demografischen Wandels länger und mehr zu arbeiten.

Damit wir diesen Appellen folgen, müssen wir vertrauen, dass die gewählten Mandatare unser Allgemeinwohl verfolgen und dabei ihr Bestes geben. Hier scheint ein Wurm ins System gekommen zu sein. Im OGM-Vertrauensindex erreichen nur mehr fünf von 27 Spitzenpolitikern positive Werte. Bundeskanzler Karl Nehammer zählt hinter Bildungsminister Martin Polaschek zu den größten Verlierern. Diese Botschaft besorgt die Politik selbstverständlich und so sprechen alle Spitzenvertreter von ihrer Aufgabe Vertrauen zurückzugewinnen. Hier würde es reichen, eine simple Regel zu befolgen: „Sprich über das, was du tust, und tu das, was du versprichst.“

Denn Demokratie funktioniert nur mit vorbildhaften Eliten. Welche Themen sie wählen und welche Bühne sie nutzen, kommt allerdings einem gefährlichen Spagat gleich. Nehammer traut sich offensichtlich nicht zu den Salzburger und Bregenzer Festspielen, weil er durch Bilder inmitten von Privilegierten den Zorn der Nichtprivilegierten fürchtet. Noch weniger souverän wirkt nur seine Begründung, es gäbe wichtigere Prioritäten: Kultur ist definitiv die bessere Flucht vor der Realität als Alkohol und Psychopharmaka.

Doch im Bundeskanzleramt scheint inzwischen eine alles umfassende Bunkerstimmung die Kultur des Erklärens abgelöst zu haben.

„Bundeskanzler Karl Nehammer zählt hinter Bildungsminister Martin Polaschek zu den größten Verlierern.“

Kathrin Stainer-Hämmerle

kathrin.stainer-­haemmerle@vn.at

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.

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