Vom Berg
Wir haben uns ein paar Tage auf einen Berg zurückgezogen und schauen über das Rheintal und den See. Es ist heiß und der Kopf arbeitet langsamer. Aber vielleicht brütet er auch gerade Ideen aus, vielleicht noch etwas halbgar. Aber vor allem ist ein Nest kein Kochtopf. Es ist heiß und die Sprachbilder werden zäh.
Wir philosophieren ein wenig und politisieren tun wir auch. Unsere Freunde meinen, die ÖVP solle sich auflösen und neu gründen. Ich wende ein, das hätte sie vor ein paar Jahren gerade getan und das Ergebnis sei nicht so toll gewesen.
„Von oben ist das Rheintal noch immer eine grüne Idylle. Reden wir uns ein. Auf jeden Fall ein Grund mehr, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen.“
Es ist heiß und über dem See erscheint eine Fata Morgana. Unsere Freunde träumen von einer Eisenbahnbrücke über den See. Die Lösung für das Bregenzer Dilemma. Wohin mit den Gleisen, wohin mit dem Bahnhof? Meinetwegen gerne unter die Erde, doch am besten in die Luft. Auf dem Berg ist die Verführung groß, ein bisschen Gott zu spielen. Oder wenigstens einer aus der zweiten oder dritten Reihe, vom Olymp über Hohenems.
Von oben ist das Rheintal noch immer eine grüne Idylle. Reden wir uns ein. Auf jeden Fall ein Grund mehr, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen.
Aber was fehlt, sagen unsere Freunde, ist die Golden Gate Bridge über den See. Eine schöne Brücke. Ich wende ein, dass das mit dem Bregenzer Bahnhof auf der Brücke schwierig wäre. Vielleicht doch besser der Tunnel? Wenn die Feldkircher gleich ganze Kreisverkehre in den Berg bohren?
Wir fragen uns, was aus dem Ufer wird. Noch gehört der See allen. Aber wenn die Ökonomen anfangen zu rechnen, was der Tunnel kostet, und andererseits wie viel Geld man mit dem Ufer verdienen könnte, dann kommen Zweifel. Mehr am See – aber für wen? Und was ist der ominöse „dritte Weg“?
Vielleicht werden sie erst mal einen Tunnel für den Güterverkehr durch den Pfänder bauen. Um Zeit zu gewinnen und eine „Ausweiche“, für den Fall, dass wirklich einmal gebaut wird? Hier auf dem Berg kann man spinnen, ohne Folgen. Aber unten im Tal wird entschieden. Und selbst auf dem Berg ahnt man, dass das gar nicht einfach ist, nicht nur, weil das Landhaus jetzt partout nicht mag, was aus dem Rathaus kommt. Unten ist es im Moment noch heißer als hier oben auf dem Berg. Unten steht die Luft und damit noch manches andere still. Hier weht ein Lüftchen. Auch durch die Köpfe. Die da unten brauchen jetzt nicht nur Vernunft sondern auch ein bissel Mut. Und wir schauen auf den See. Die Brücke ist ein blasses Bild. Aber für was?
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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