Vergiftet
Auf Twitter, einer Plattform, auf der Nachrichten und Meinungen vor allem von Menschen geteilt werden, die sich mit Politik befassen, wird der dritte Gesundheitsminister dieser Regierung angezählt.
Gemeint ist Johannes Rauch, Nachfolger von Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein (Grüne).
Auch wenn hier nur wenige Wähler repräsentiert werden, sollte das beachtet werden. Es sagt viel aus über den Zustand der Demokratie. Man sollte nicht nur nach Ungarn schauen, wo Freiheitsrechte von Viktor Orbán mit Füßen getreten werden, oder in die USA, wo es Donald Trump noch einmal ins Präsidentenamt schaffen könnte, oder nach Italien, wo Rechtsextreme nach der Neuwahl im September beste Chancen haben, die Regierung zu führen.
Auch in Österreich gibt es bedrohliche Entwicklungen. Debatten sind schwer bis unmöglich geworden. Sie aber wären wichtig für die Demokratie.
Rauch hatte Pläne kommentiert, die Quarantänepflicht für Corona-Infizierte abzuschaffen. Es gehe darum, mit den Maßnahmen ans unterste Ende zu gehen, schrieb er: „Dass wir 25 Prozent plus von psychischen Erkrankungen und Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen haben, ist mit Hauptgrund.“
In der Folge entlud sich vieles von dem, was sich in der Pandemie aufgestaut hat: Rauch wurde etwa aufgefordert, die 25 Prozent zu belegen. Er konnte es nicht, wurde emotional, entschuldigte sich und versprach, nicht mehr spontan zu twittern. Gut so. Alles andere wäre fortgesetzte Selbstbeschädigung mit absehbarem Ende. Ein gestresster Minister, der vieles an sich heranlässt, sollte sich vor sich selbst schützen. Es ist gefährlich für ihn, zu schreiben, was er sich gerade denkt.
Das Problem ist jedoch grundsätzlicher. Ein Beispiel: Gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, was Regieren in Österreich zu sehr bedeutet: Dinge anzukündigen, die aus der Luft gegriffen und daher wissenschaftlich nicht nachvollziehbar sind.
Laut ÖVP-Kampagne vom Sommer 2021 sollte die Pandemie schon gemeistert sein, laut Sebastian Kurz dürften sich nur noch Ungeimpfte anstecken etc. Das Ergebnis ist maximaler Glaubwürdigkeitsverlust, der jeder konstruktiven Auseinandersetzung im Weg steht. Und dann kommt Rauch daher und versucht, Lockerungen mit irgendeiner Zahl zu einem ernstzunehmenden Aspekt zu begründen. Unter normalen Umständen wäre das vielleicht lässlich gewesen, hier aber brannten Sicherungen durch. Der 63-Jährige wurde mit vernichtenden Urteilen eingedeckt.
„Ein gestresster Minister, der vieles an sich heranlässt, sollte sich vor sich selbst schützen.“
Johannes Huber
johannes.huber@vn.at
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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