“Auch in Vorarlberg Windenergiepotenzial”

Gewessler will Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz neu gestalten.
wien Damit der Ausbau der Erneuerbaren schneller passiert, schickt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in Begutachtung. Mit den VN hat sie über Vorarlbergs Potenzial für Windenergie, den Gasspeicherstand in Österreich und darüber, ob im Energienotfall Pisten künstlich beschneit werden, geredet.
Es gibt in Vorarlberg kein einziges Großwindrad. Ist das zeitgemäß?
Gewessler Wir sehen gerade sehr deutlich: Unsere Abhängigkeit von fossilen Energien ist dramatisch, unsere Wirtschaft dadurch angreifbar und erpressbar. Wladimir Putin setzt Gaslieferungen als Waffe ein. Dieses Zittern wird erst ein Ende haben, wenn wir uns möglichst unabhängig machen und unsere eigenen Ressourcen wie Wasser, Sonne, Wind und Biomasse nutzen. Nur das wird uns auf Dauer auch stabilere und niedrigere Preise geben. Da macht jedes einzelne Windrad einen Unterschied. Die Potenziale sind in den Bundesländern unterschiedlich. Aber auch in Vorarlberg gibt es Möglichkeiten für die Windenergie, die müssen wir nutzen.
Die UVP-Prüfung wird novelliert. Wird der Bund beim Ausbau Erneuerbarer mehr Tempo machen, auch wenn sich die Landesebene querstellt?
Gewessler Wir arbeiten gut mit den Bundesländern zusammen, müssen aber schauen, wo wir Hürden aus dem Weg räumen können. Deswegen haben wir die Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung in Begutachtung geschickt, um den Erneuerbaren eine Überholspur zu bieten. Wir wollen Doppelprüfungen vermeiden und wir wollen dafür sorgen, dass fehlende Planungen nicht den Ausbau verzögern. In dieser Novelle ist daher vorgesehen, dass man die UVP auch ohne Raumwidmung beginnen kann.
Ressourcen und Fachkräfte für den Erneuerbarenausbau fehlen. Wie will Österreich aufholen, damit nicht neue Abhängigkeiten entstehen?
Gewessler Die Lieferketten sind ein wichtiges Thema. Daher unterstützen wir ein EU-Projekt, das sich mit dem Aufbau der PV-Industrie in Europa beschäftigt. Das zweite sind die Fachkräfte. Gemeinsam mit dem Arbeits- und Wirtschaftsminister haben wir die Umweltstiftung ins Leben gerufen, wo wir in den Bereichen Energie- und Wärmewende Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Das Wichtigste war, mit dem Erneuerbaren-Ausbaugesetz die Sicherheit zu geben, dass das Ziel 100 Prozent erneuerbarer Strom steht. Darauf kann man Geschäftsstrategien aufbauen und Lehrlinge ausbilden.
Jeder schaut auf die Gaseinspeicherung. Wie sind wir unterwegs?
Gewessler Derzeit ist der Speicherstand bei knapp 51 Prozent. Der OMV-Speicher, der auch gleichzeitig der größte Speicher in Österreich ist, liegt seit einigen Tagen bei über 80 Prozent. Das heißt, das ist der erste Speicher, der unser Ziel auch erreicht hat. Wir haben große Speicher, umso wichtiger ist es, dass wir die bestmöglich nutzen.
Woran scheitert Tempo 100 in Österreich?
Gewessler Die Energiesituation in Europa ist sehr angespannt. Wir dürfen uns von positiven Nachrichten zwischendurch, etwa dass durch Nordstream 1 wieder Gas fließt, nicht irreleiten lassen. Langsamer fahren ist immer klug: Es spart Sprit und Geld. Als Ministerin kann ich Energielenkungsmaßnahmen nur aufgrund eines Versorgungsnotstands und mit einer Zweidrittelmehrheit im Hauptausschuss verordnen. Und beide liegen jetzt nicht vor.
Am Dienstag treffen sich die EU-Energieminister. Was ist im Gespräch, wie ist der Zeitplan?
Gewessler Zentral ist die Frage der Solidarität. Also dass, wenn es eine Notfallstufe auf der EU-Ebene gibt, alle 27 Mitgliedsländer einen Beitrag leisten und Gas einsparen. Genau um diese 15 Prozent Gaseinsparung dreht sich ganz viel in den Verhandlungen. Das soll morgen politisch abgeschlossen werden. Die Krise wartet nicht auf uns und wir haben hier auch Verantwortung, rasch zu sein.
Ist es im Notfall denkbar, dass etwa Beschneiungsanlagen im Winter nicht laufen werden?
Gewessler Im Notfall gibt die Energielenkung die Prioritäten vor. Wir schützen die Haushalte, die lebensnotwendige Industrie, die Krankhäuser oder soziale Einrichtungen. Das ist auch gesetzlich vorgesehen.
Kommt der Strompreisdeckel?
Gewessler Das Finanzministerium arbeitet in Abstimmung mit uns unter Hochdruck daran, den Vorschlag zu prüfen, wie man den Grundbedarf an Strom schützen kann. Das, was darüber ist, bleibt mit dem Marktpreis als Signal, dass man mit Energie sparsam umgehen soll. Wir wollen nur ein Modell vorschlagen, das in der Praxis gut funktionieren kann.
Wie ist der Stand bei der S18?
Gewessler Wir informieren dann über das Ergebnis und nicht über Zwischenschritte. Wir wollen bis Ende des Jahres ein Ergebnis haben, und an diesem Zeitplan halten wir fest.
Wann kommt der zweigleisige Ausbau der Arlbergstrecke?
Gewessler Der Arlberg ist wichtig in unserem Rahmenplan. Der zweigleisigen Ausbau von Bludenz zum Arlberg ist darin verankert. Wir gehen davon aus, dass das in der zweiten Hälfte der 20er spruchreif wird und in Umsetzung geht.
Die verschobene CO2-Bepreisung kommt fix im Oktober?
Gewessler Ja, wir werden das umsetzen. Halb Europa brennt. Wenn man sich umsieht, ist die Klimakrise so präsent wie nie. Wir brauchen jedes Instrument für den Klimaschutz. CO2-Bepreisung und ökosoziale Steuerreform sind wichtig, weil das erste Mal das Steuersystem den Klimaschutz im Fokus hat.
„Wir haben die Novelle der UVP-Prüfung in Begutachtung geschickt, um den Erneuerbaren eine Überholspur zu bieten. Fehlende Planung darf den Ausbau nicht verzögern.“
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