Vorarlberger Geschichte in Salzburg

Vorarlberg / 29.07.2022 • 17:18 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Ein Bild für die Geschichtsbücher. Diese riesige Menge an Aktenmaterial gab es für Richter Andreas Posch durchzuackern. VN
Ein Bild für die Geschichtsbücher. Diese riesige Menge an Aktenmaterial gab es für Richter Andreas Posch durchzuackern. VN

Vor zehn Jahren wurden im Testamentsprozess die Ersturteile verkündet.

Salzburg Es war heiß und schwül am Montagnachmittag des 31. Juli 2012 im großen Salzburger Schwurgerichtssaal. Und noch viel mehr historisch. Richter Andreas Posch sprach die Urteile im Testaments­prozess, der am 16. April begann und 17 Verhandlungstage in Anspruch nahm.

„Schuldig“ hieß das Wort, das damals bedeutungsschwanger vom Vorsitzenden gegen die sechs Hauptbeschuldigten ausgesprochen wurde – zum damaligen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand die ehemalige Richterin und Landesgerichtsvizepräsidentin Kornelia R.. Auch ihren Unschuldsbeteuerungen schenkte der Schöffensenat nach 30-stündiger Beratung keinen Glauben. Zweieinhalb Jahre Haftstrafe, davon zehn Monate unbedingt, lautete das Urteil gegen R., in Rechtskraft ergingen gut zwei Jahre später nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel dann sogar 32 Monate.

Der Hauptbeschuldigte und als Drahtzieher entlarvte frühere Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn, Jürgen H., fasste sieben Jahre unbedingte Haftstrafe aus. Rechtskräftig wurden letztlich sechs Jahre. Auch die Haftstrafen von drei anderen Hauptbeschuldigten wurden im Zuge der Berufungen reduziert. Einzig der Rechtspfleger Clemens M. hatte damals sein Ersturteil akzeptiert.

Forsche Richterin

Der Mammutprozess mit Dutzenden Zeugen und jahrelanger Vorgeschichte sprengte in der Vorarlberger Justizgeschichte alle bis dahin gekannten Grenzen. Die verbrecherische Manipulation von Testamenten als komplexes Gesamtwerk einer eingespielten Gruppe von Gerichtsmitarbeitern, dazu noch die zweithöchste Justizbeamtin des Landes als Auftraggeberin eines gefälschten Testaments zerstörte das Vorarlberger Selbstverständnis von Gerechtigkeit an höchster Stelle und ließ nicht nur die Opfer der Fälschungen geschockt zurück. Während der Hauptangeklagte Jürgen H. vor Gericht als reumütiger und gebrochener Mann in Erscheinung trat, gab sich die Ex-Richterin über weite Strecken des Prozesses resolut, ja rechthaberisch und vor allem uneinsichtig.

Dass die Verbrechen überhaupt ans Tageslicht kamen, war zwei Personen zu verdanken. Zum einen dem geprellten Erben Anton Häusler, der mit beispielloser Hartnäckigkeit die wahren Umstände der ihm gestohlenen Verlassenschaft herauszufinden versuchte. Zum anderen, und vor allem, der jungen Richterin Isabelle Amann. Sie ging den plausiblen Argumenten des geprellten Erben nach und deckte in mühevoller und geheimer Kleinarbeit die unvorstellbaren Machenschaften auf. Sie legte das System der Fälscher offen und setzte die Ermittlungen in Gang. Mit den ersten Verhaftungen Ende 2009 und den darauffolgenden Verhören zeichnete sich immer mehr die monströse Dimension des Testamentsskandals ab.

22.000 Seiten

Dass mit Salzburg ein neutraler Ort zum Prozessstandort bestimmt wurde, war zwingend. Da auch Teile der Vorarlberger Justiz am Pranger standen, und vor allem die ehemalige Landesgerichtsvizepräsidentin, konnte die Verhandlung unmöglich in Vorarlberg stattfinden. Die Anklage gegen Kornelia R. wurde von der Staatsanwaltschaft Steyr geleitet, die übrigen Fälle wurden von der Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Anklage gebracht.

Das Justizspektakel von Salzburg vor zehn Jahren lässt sich natürlich auch in Zahlen dokumentieren. So musste der vorsitzende Richter Andreas Posch zur Vorbereitung nicht weniger als 48 Bände mit insgesamt 22.000 Seiten Aktenmaterial durchackern. Verhandelt wurden 18 Fälle. Die Gesamtschadenssumme durch die Testamentsfälschungen belief sich auf über zehn Millionen Euro. Bis zum Ende der Erstverhandlung traten nicht weniger als 32 Personen in den Zeugenstand des großen Schwurgerichtssaals.

Im Laufe der darauffolgenden Jahre konnte ein Großteil der geprellten Erben entschädigt werden.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.