Diesem Gerichtsurteil fieberte vor zehn Jahren ganz Vorarlberg entgegen

Vorarlberg / 30.07.2022 • 05:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Diesen Aktenberg hatte Richter Andreas Posch vor dem großen Testamentsprozess vor zehn Jahren zu bewältigen. <span class="copyright">VN</span>
Diesen Aktenberg hatte Richter Andreas Posch vor dem großen Testamentsprozess vor zehn Jahren zu bewältigen. VN

Am 31. Juli 2012 gab es im Salzburger Schwurgerichtssaal die Ersturteile im Testamentsprozess.

Salzburg Es war heiß und schwül am Montagnachmittag, dem 31. Juli 2012, im großen Salzburger Schwurgerichtssaal. Und noch viel mehr historisch. Richter Andreas Posch sprach die Urteile im Testamentsprozess, der am 16. April begonnen und 17 Verhandlungstage in Anspruch genommen hatte.

“Schuldig” hieß das Wort, das damals bedeutungsschwanger vom Vorsitzenden gegen die sechs Hauptbeschuldigten ausgesprochen wurde, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand die ehemalige Richterin und Landesgerichtsvizepräsidentin Kornelia R.. Auch ihren Unschuldsbeteuerungen schenkte der Schöffensenat nach 30-stündiger Beratung keinen Glauben. Zweieinhalb Jahre Haftstrafe, davon zehn Monate unbedingt, lautete das Urteil gegen R., in Rechtskraft ergingen gut zwei Jahre später nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel dann sogar 32 Monate.

Der Hauptbeschuldigte und als Drahtzieher entlarvte frühere Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn, Jürgen H., fasste sieben Jahre unbedingte Haftstrafe aus. Rechtskräftig wurden letztlich sechs Jahre. Auch die Haftstrafen von drei anderen Hauptbeschuldigten wurden im Zuge der Berufungen reduziert. Einzig der Rechtspfleger Clemens M. hat sein Ersturteil akzeptiert.

Das Medieninteresse war enorm, vor allem am Anfang und am Schlusstag des Testamentsprozesses.  <span class="copyright">VN</span>
Das Medieninteresse war enorm, vor allem am Anfang und am Schlusstag des Testamentsprozesses. VN

Forsche Richterin

Der Mammutprozess mit Dutzenden Zeugen und jahrelanger Vorgeschichte sprengte in der Vorarlberger Justizgeschichte alle bis dahin gekannten Grenzen. Die verbrecherische Manipulation von Testamenten als komplexes Gesamtwerk einer eingespielten Gruppe von Gerichtsmitarbeitern, dazu noch die zweithöchste Justizbeamtin des Landes als Auftraggeberin eines gefälschten Testaments zerstörte das Vorarlberger Verständnis von Gerechtigkeit an höchster Stelle und ließ nicht nur die Opfer der Fälschungen geschockt zurück. Während der Hauptangeklagte Jürgen H. vor Gericht als reuemütiger und gebrochener Mann in Erscheinung trat, gab sich die Ex-Richterin über weite Strecken des Prozesses resolut, ja rechthaberisch und vor allem uneinsichtig.

Klaus Grubhofer verteidigte vor zehn Jahren den Hauptangeklagten. Auch nach dem Prozess kümmerte er sich rührend um diesen.  <span class="copyright">VN</span>
Klaus Grubhofer verteidigte vor zehn Jahren den Hauptangeklagten. Auch nach dem Prozess kümmerte er sich rührend um diesen. VN

Dass die Verbrechen überhaupt ans Tageslicht kamen, war zwei Personen zu verdanken. Zum einen dem geprellten Erben Anton Häusler, der mit beispielloser Hartnäckigkeit die wahren Umstände der ihm gestohlenen Verlassenschaft herauszufinden versuchte. Zum anderen, und vor allem, der jungen Richterin Isabelle Amann. Sie ging den plausiblen Argumenten des geprellten Erben nach und deckte in mühevoller und geheimer Kleinarbeit die unvorstellbaren Machenschaften auf. Sie legte das System der Fälscher offen und setzte die Ermittlungen in Gang. Mit den ersten Verhaftungen Ende 2009 und den darauffolgenden Verhören zeichnet sich immer mehr die monströse Dimension des Testamentskandals ab.

22.000 Seiten Akten

Dass mit Salzburg ein neutraler Ort zum Prozessstandort bestimmt wurde, war zwingend. Da auch Teile der Vorarlberger Justiz am Pranger standen, und vor allem die ehemalige Landesgerichtsvizepräsidentin, konnte die Verhandlung unmöglich in Vorarlberg stattfinden. Die Anklage gegen Kornelia R. wurde von der Staatsanwaltschaft Steyr geleitet, die übrigen Fälle wurden von der Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Anklage gebracht.

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Richterin Isabelle Amann wurde 2020 für ihren Einsatz um die Aufklärung der Testamentsaffäre mit dem goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.

Das Justizspektakel von Salzburg vor zehn Jahren lässt sich natürlich auch in Zahlen dokumentieren. So musste der vorsitzende Richter Andreas Posch zur Vorbereitung nicht weniger als 48 Bände mit insgesamt 22.000 Seiten an Aktenmaterial durchackern. Verhandelt wurden 18 Fälle. Die Gesamtschadenssumme durch die Testamentsfälschungen belief sich auf über 10 Millionen Euro. Bis zum Ende der Erstverhandlung traten nicht weniger als 32 Personen in den Zeugenstand des großen Schwurgerichtssaals.

Im Laufe der darauffolgenden Jahre konnte ein Großteil der geprellten Erben entschädigt werden.

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