Das Glück des Augenblicks

Vorarlberg / 02.08.2022 • 09:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die Sopranistin Marlis Petersen und Ulrich Reinthaller, der den Abend schauspielerisch-textlich gestalte. <span class="copyright">Bregenzer Festspiele/Anja Köhler </span>
Die Sopranistin Marlis Petersen und Ulrich Reinthaller, der den Abend schauspielerisch-textlich gestalte. Bregenzer Festspiele/Anja Köhler

Mit „Musik und Poesie“ spürte man den Wechselfällen des Lebens nach.

Bregenz „Du musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest“, mit diesen Zeilen von Rainer Maria Rilke schloss am vergangenen Wochenende der Abend zwischen „Musik und Poesie“ im Seestudio der Bregenzer Festspiele. Warum er hier am Anfang steht? Weil er treffend zusammenfasst, worum es an diesem Abend musikalisch wie lyrisch ging: Um den Versuch, das Leben in seinen vielen Wechselgängen zu verstehen, Lösungen zu ersehen und doch festzustellen, dass es im Leben einfach darum geht zu leben.

Man kennt und schätzt die „Musik und Poesie“-Festspielreihe für ihre kleinen Schmuckkästchen abseits der großen Bühne. Der jüngste Teil der Reihe trug den Titel „Innenwelten“ und wurde von der Sopranistin Marlis Petersen, Stephan Matthias Lademann am Klavier und von Ulrich Reinthaller schauspielerisch-textlich gestaltet. Mit diesen dreien hat sich hier dann auch tatsächlich ein „Glücksfall-Trio“ ergeben. Sie harmonieren quasi blind. Der Text ergänzte das Lied, das Lied unterstrich, was der Text andeutete und Stephan Matthias Lademann am Bösendorfer-Flügel war einfach ein perfekter Begleiter in jeder Tonlage.

Literarische Leerräume

Dabei wurde durchaus „schwere Kost“ präsentiert. Wie ein leichtes Vorbeben wechselten sich da zunächst Lieder von Richard Strauss (Die Nacht) mit Schuberts „Nacht und Träume“ oder Brahms’ „Nachtwandler“ ab. Gespickt wurden die Leerräume zwischen den einzelnen Liedern mit Literarischem. Und auch hier dominierte zunächst die Schwere.

Dramatisch wurde es mit Max Regers „Schmied Schmerz“, bei dem Marlis Petersen schon den Einstieg intensiv und kraftvoll gestaltete, während sie bei Brahms’ „Verzagen“ das Wogen des Wassers beschwor. Die Literatur – Ingeborg Bachmanns „Dem Abend gesagt“ oder Ludwig Bechsteins „Ruhe“ – komplettierten das Stimmungsbild. An dieser Stelle ein Kompliment an den Vortrag Ulrich Reinthallers. Einfach toll.

Versöhnung

Deutlich heiterer, weil der Liebe gewidmet, und französisch wurde es dann mit Reynaldo Hahn, Henri Duparc und Gabriel Fauré. Doch kaum schien die Liebe durch den Raum zu tänzeln, kam mit Hugo von Hofmannsthals „Terzinen über Vergänglichkeit III“ das Gegengewicht dazu. Erst zum Schluss des Konzertabends lag Versöhnung in der Luft. Max Regers „Abend“ wurde hier zum erlösten Abgesang an den Tag, an die Liebe und den Schmerz.

Es war ein anspruchsvoller „Spaziergang“ durch die Innenwelten des Lebens, den sich die drei Künstler hier vorgenommen hatten. Man weiß, was Liedgesang an Konzentration und stimmlicher Meisterschaft fordert. All das war auf den Punkt da. Ein begeistertes Publikum war die logische Folge dieses Abends, der ein Fest des Augenblicks im besten Sinne des Wortes war. VF

Die „Musik und Poesie“-Reihe wird am 7. August mit „Fly Ganymed“ (Nikolaus Habjan und Kirre Kvam) fortgesetzt, 19.30 Uhr, Seestudio im Bregenzer Festspielhaus. www.bregenzerfestspiele.com