Dilettantismus
Max Weber (1864 – 1920) war ein deutscher Soziologe, der wie kein anderer das Wesen des modernen Verwaltungsstaates erkannte. Die wachsende Bürokratie sah er als unausweichlich, um den Ansprüchen an den modernen Staat gerecht zu werden. Nur sie garantiere Professionalität in der Vollziehung, im Gegensatz etwa zur Verwaltung durch ehrenamtlich Tätige, wie in den Gemeindevertretungen. Um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts schrieb er: „Man hat nur die Wahl zwischen Bürokratisierung und Dilettantisierung“, und es war klar, wen er als die professionelle Verwaltung und wen als Dilettanten empfand.
Die vom Rechnungshof aufgedeckten Vorgänge in der COFAG, der Agentur, welche für die Auszahlung der COVID-19-Hilfen verantwortlich ist, erwecken den Eindruck, als ob die österreichische Verwaltung zuweilen eine Kombination aus Bürokratisierung und Dilettantismus wäre.
Selbst wenn man den enormen Zeitdruck berücksichtigt, unter dem die Covid-Hilfen organisiert werden mussten, staunt man über die Unverfrorenheit, mit der sich ein Geschäftsführer zwei lukrative Gehälter gönnte. Man wundert sich nach den berüchtigten Schmid-Chats vielleicht nicht, dass dieser Geschäftsführer aus dem Kreis der Kabinettsverwaltung stammte, die üblicherweise zwar viel politische, aber wenig praktische Erfahrung hat. Überraschend ist aber, wie leichtfertig Überförderungen in Kauf genommen wurden und wie wenig Kompetenz in der COFAG und ihrem Umfeld vorhanden gewesen sein muss, wenn sie horrende Summen für externe Beratungen ausgab, weil sie offenbar selbst nicht über das erforderliche Know-how verfügte.
Der – freilich erst als sogenannter Rohbericht vorliegende – Bericht des Rechnungshofes über die COFAG veranschaulicht eine dramatische Entwicklung in der österreichischen Verwaltung der letzten Jahre: Öffentliche Aufgaben werden durch Unternehmen, die dem Staat gehören, erfüllt. Als Manager dieser Unternehmen fungieren häufig Personen, die aus politischen Büros kommen, der Politik zugearbeitet haben und für treue Dienste belohnt werden. Mehr oder weniger dasselbe gilt für die Aufsichtsräte. Die Organisationen verfügen häufig über zu wenig eigenes Know-how und müssen solches teuer zukaufen. Eine parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit findet so gut wie nicht statt.
So etwas geht zuweilen gut, sehr häufig aber, wie der COFAG-Fall zeigt, schlecht aus. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Politik das Stellenbesetzungsgesetz ernst nehmen würde, in dem geschrieben steht: „Das für die Besetzung zuständige Organ hat die Stelle ausschließlich auf Grund der Eignung der Bewerber zu besetzen.“
„Eine parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit findet so gut wie nicht statt.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
Kommentar