Stark sein für Maria

Vesna und Roland Schreierer widmen sich ganz der Pflege ihres schwerkranken Kindes.
LUSTENAU„Das Leben funktioniert nicht so, wie man es sich vorstellt.“ Vesna Schreierer sagt das mit Nachdruck, aber ohne Gram. Ihr Mann Roland nickt zustimmend. Am 15. März 2021 ist die Welt der Schreierers aus den Fugen geraten. Das war der Tag, an dem Gewissheit herrschte, dass ihre Tochter Maria sehr krank geworden ist. Maria war neun Jahre alt.
Das Haus, das die Familie bewohnt, steht in Lustenau. Vesna bittet an den Küchentisch. Maria fährt im Rollstuhl heran. Die nun Zehnjährige wirkt erschöpft.
„Der 15. März 2021 war ein Montag. Das weiß ich noch genau“, beginnt Vesna. „Aus der Schule kam ein Anruf. Ich soll Maria abholen. Sie sei müde und fühle sich unwohl.“ Am Tag darauf blieb das Kind daheim, am Mittwoch ging es wieder zur Schule. Weil Maria im Unterricht einschlief, wurde sie erneut nach Hause geschickt und zum Kinderarzt gebracht. Dieser entdeckte Hämatome an Marias Körper und wies sie wegen Verdachts auf Leukämie ins Krankenhaus Dornbirn ein. Die Diagnose lautete T-akute Lymphoblastische Leukämie (TALL) – eine aggressive Blutkrebs-Art. Maria wurde sofort nach Innsbruck in die Uni-Klinik überstellt, wo neben anderen Untersuchungen eine Knochenmarkpunktion durchgeführt wurde. „Danach litt Maria an starken Schmerzen“, erzählt Vesna. Zudem habe sich beim Einstich am Wirbelsäulenkanal ein schwarzer Fleck gebildet. „Die Ärztin meinte, das sei normal, sowas kann passieren.“ Hochdosierte Schmerzmittel wirkten nicht. „Maria hat geschrien, weil sie es nicht mehr aushielt.“
Roland hatte derweil eine Verlegung seiner Tochter ins Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen beantragt: „Dagegen wehrte man sich in Innsbruck vehement.“ Nach etlichem Hin und Her kam Maria am 16. April 2021 in St. Gallen an. Eine MRT-Untersuchung ergab eine Entzündung im Gehirn. „Außerdem hat sich auf Marias Hirn- und Zentralnervensystem eine seltsame Substanz gebildet, wie eine Haut“, berichtet Vesna. Was genau das ist, wisse man bis heute nicht. Dann kam auch noch erhöhter Hirndruck dazu, der mittels Notoperation das Einsetzen einer externen Drainage erforderte, die dann durch einen dauerhaften Cerebralshunt ersetzt wurde. „Mir ging es scheiße“, erinnert sich Maria. Aufgrund der Grund- und Begleiterkrankungen, darunter eine septische Knochennekrose in beiden Knien, hat Maria bislang in insgesamt 14 Monaten Spitalsaufenthalt an die 40 chirurgische Eingriffe über sich ergehen lassen. Diesbezüglich steht dem Kind noch einiges bevor.
Ende August letzten Jahres endete die Chemotherapie. Seitdem ist Maria leukämiefrei. Doch die Angst vor einem Rückfall bleibt. Für die Eltern heißt das: „Wir müssen stark sein für Maria und funktionieren.“
Als sich Roland und Vesna im Frühling 2003 in Braz begegnet sind, war die Welt der beiden noch in Ordnung. Vesna, geboren 1975 als Kind (damals noch) jugoslawischer Einwanderer, aufgewachsen in Lustenau, war im Einzelhandel beschäftigt und alleinerziehende Mutter eines neunjährigen Sohnes. Roland, geboren 1976, aufgewachsen in Auerbach in Oberösterreich, ausgebildeter Landmaschinenmechaniker, langjähriger Fernfahrer, arbeitete in der Logistik eines Vorarlberger Unternehmens. „Wir sind sehr rasch zusammengekommen“, sagt er. „Es hat gleich gepasst“, sagt sie.
Die Welt war auch noch in Ordnung, als Maria am 9. April 2012 geboren wurde, in den Kindergarten ging, eingeschult wurde und 2020 ihren achten Geburtstag feierte. Drei Wochen bevor sie neun wurde, begann ihr krankheitsbedingter Leidensweg, der kein Ende nehmen will.
Keine Wahl
Der Alltag der Familie Schreierer ist mühsam. Sowohl Roland als auch Vesna haben momentan kein eigenes Einkommen, weil sie ihre schwerkranke Tochter pflegen: „Maria braucht uns beide.“ So fehlt es der Familie finanziell an allen Ecken und Enden. Demnach können die Eltern weder spezielle Therapien bezahlen noch Marias Wünsche erfüllen. Reittherapie wünscht sie sich, und eine Nähmaschine, „und einen ganz kleinen, kuscheligen Hund, mit dem ich allein zurechtkomme“. (Wer helfen möchte, kann das über das Spendenkonto der Vorarlberger Kinderhilfsorganisation „Stunde des Herzens“: Sparkasse Bludenz, IBAN: AT342060703200033474, BIC: SSBLAT21, Spendenzweck: Familie Schreierer.) Wie schafft man es, solch ein Schicksal zu tragen? „Wir haben keine Wahl“, antwortet Vesna. „Man darf jedoch nie die Hoffnung verlieren.“
„Ich wünsche mir einen ganz kleinen, kuscheligen Hund, mit dem ich allein zurechtkomme.“
