“Es braucht Regulierung der Quellpopulation”

Vorarlberg / 15.08.2022 • 19:29 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Herzige Wolfswelpen werden später zu Raubtieren. APA
Herzige Wolfswelpen werden später zu Raubtieren. APA

Wolfsrudel nahe der Grenze. Das würde laut Schatz viel verändern.

Bregenz Jederzeit könnten Welpen des im Gebiet Schlapin/Klosters gesichteten Wolfspärchens aus ihrem Bau hervorkommen und gesichtet werden. Ein Rudel in unmittelbarer Nachbarschaft hätte bald Auswirkungen auf Vorarlberg, meint Wildbiologe Hubert Schatz (57). Der Wolf habe seine Berechtigung, aber nicht in unkontrollierbarer Zahl und vor allem nicht als tödliche Gefahr für Vieh.

 

Landesjägermeister Christoph Breier sprach von einer drohenden Rudelbildung nahe dem Gauertal in Graubünden. Stehen wir tatsächlich unmittelbar davor?

Schatz Wir wissen seit geraumer Zeit, dass sich im Gebiet Schlapin/Klosters ein Wolfspärchen aufhält. Es gab da auch immer wieder Schafrisse. Nachweislich waren diese Wölfe auch im Gargellental. Das Pärchen war in letzter Zeit jedoch wenig sichtbar und offensichtlich kaum mobil. Das deutet darauf hin, dass sie Junge haben und sich deswegen weniger weit weg von ihrem Bau bewegen. Die ganze Wolfsfamilie sollte jedoch bald schon sichtbar werden. Ein aktueller Schafriss wurde mir von den Schweizer Kollegen gerade gestern gemeldet.

 

Was würde die Bildung eines Wolfsrudels für Vorarlberg bedeuten?

Schatz Wir hätten dann bald mehr Wölfe bei uns, weil ihr Jagdgebiet natürlich auch in unsere Region reichen würde. Nach einem Jahr wären die jetzigen Welpen als Jungwölfe aktiv, und sie könnten sich bald auch bei uns ein Revier suchen. Eine Zunahme der Wolfspräsenz bei uns ist auf alle Fälle sehr wahrscheinlich.

 

Wie ist der vor Kurzem im Gauertal entdeckte Schafriss einzuordnen? Stammt der von besagtem Pärchen?

Schatz Fix ist nur, dass der Schafriss einem Wolf zuzuordnen ist. Eine Genotypisierung war aber leider nicht möglich, weil die DNA-Qualität des vorgefundenen Materials sich als unzureichend herausstellte.

 

Wie haben Sie die Attacken von Wölfen auf Rinder in Graubünden, St. Gallen und auch im Osttirol wahrgenommen?

Schatz Natürlich habe ich all diese Vorfälle mitbekommen und auch durch Kollegen erklärt. Diese Situationen haben sich leider abgezeichnet. Es sind dies Wölfe, die bereits positive Erfahrungen mit Rindern als Beute gemacht haben und aus Deutschland und vor allem Italien kommen. Es ist naheliegend, dass andere Mitglieder eines Rudels diese Verhaltensweisen annehmen. Hier ist aus meiner Sicht eine rote Linie überschritten. Man kann keine Schutzmaßnahmen auch für Rinder umsetzen. Diese Wölfe müssen entnommen werden. Nicht dass Wölfe generell zu einem Feindbild abgestempelt werden.

 

Inwiefern könnte der Wolf nicht auch eine Bereicherung für unseren Naturraum sein?

Schatz Der Wolf hat seine Berechtigung, weil er ja auch bei uns schon vor langer Zeit zu Hause war. Nur muss seine Existenz auch verträglich sein. Ein Wolfsmanagement muss an unsere Wirtschaftsformen angepasst sein. Der Wolf darf nicht anfangen diese Wirtschaftsformen zu bestimmen, er muss in das System hineinpassen.

 

Ab wann wird er zur Gefahr, gegen die eingeschritten werden muss?

Schatz Wenn sich Wölfe täglich in unserer Region aufhalten, wird es zu Konflikten kommen. Konflikte sind schnell da. Man sieht es in der Schweiz: Dort hat man versucht, ein Miteinander zwischen Wolf, Mensch und Nutztier zu erreichen. Jetzt stößt man durch die bekannten Vorfälle an Grenzen. Der Wolf muss frühzeitig in seinen Quell­populationen in Italien, Deutschland und der Schweiz reguliert werden.

 

Muss dem Wolf nach wie vor der strengste Schutz gewährt werden?

Schatz Der Schutz für den Wolf muss gewährleistet werden. Aber nicht in der extremen Form auf Basis der europäischen FFH-Richtlinie. Wir müssen flexibler werden und europaweit praktikable Regelungen schaffen.

 

Wie gut ist Vorarlberg mit Herdenschutzmaßnahmen ausgestattet?

Schatz Wir wissen, was zu tun ist. Es sind alle Bestandteile für Zäune eingelagert. Aber man muss auch ganz klar sagen: Der Herdenschutz hat Grenzen. Je weiter es ins hochalpine Gelände geht, desto schwieriger wird es. Man kann nicht einfach großräumige Umzäunungen machen und dadurch andere Wildtiere gefährden. Informationen und Aufklärung gibt es jetzt schon. Aber ich glaube auch, dass man bestimmte Erfahrungen erst machen wird müssen. VN-HK