Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Persönlichkeiten

Vorarlberg / 16.08.2022 • 18:21 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Mit dem als Krone-Kolumnist bekannten und nun von Frank Stronach unterstützten Tassilo Wallentin und dem streitbaren und Crowdfunding-erprobten Schuhfabrikanten Heinrich Staudinger haben nun bereits 20 Personen ihre Kandidatur zum Bundespräsidenten bekannt gegeben. Nicht alle werden die Hürde von 6.000 Unterschriften bis 2. September schaffen, doch es könnte – trotz Verzicht aller Parlamentsparteien mit Ausnahme der FPÖ – eine Rekordauswahl an Namen auf dem Stimmzettel stehen. Von einer Wahl ohne Auswahl kann daher keine Rede (mehr) sein. Und dennoch ist diesmal alles anders.

Die meisten Kandidaten gab es gleich bei der ersten direkten Wahl des Bundespräsidenten 1951, unter den sechs Kandidaten befand sich mit der parteilosen Ludovica Hainisch auch die erste Frau. Erst 1986 gab es mit der Grünen Freda Meissner-Blau wieder eine Herausforderin der meist von Parteien gestellten Kandidaten. Seither verging keine erste Runde ohne weibliche Beteiligung. Bei der letzten Wahl 2016 standen erstmals wieder sechs Bewerber zur Auswahl. Die parteifreie Irmgard Griss hatte deutlich mehr Erfolg als Hainisch und erreichte respektable 19 Prozent.

Gute Aussichten auf den Kandidatenstatus am 9. Oktober haben diesmal ausschließlich Männer, nun aber die Mehrheit von ihnen parteifrei. Sie alle stellen sich als Alternative zu Amtsinhaber Alexander Van der Bellen dar, durch das Misstrauen in politische Eliten und Parteien wird ihre Unerfahrenheit in der Politik plötzlich zum Vorteil. Selbst wenn sich die vielen Kandidaten rechts und links gegenseitig die Stimmen wegnehmen: Die knapp 80 Prozent, die Heinz Fischer (2010) als auch Rudolf Kirchschläger (1980) bei ihrer Wiederwahl erreichten, sind für Van der Bellen unerreichbar.

Das könnte die Autorität des nächsten Staatsoberhauptes schwächen, obwohl weder Wahlbeteiligung noch Wahlergebnis über die Möglichkeiten des Staatsoberhauptes entscheiden, sondern Verfassung, Persönlichkeit und Amtsführung. Eine Lektion, die Bundeskanzler Karl Nehammer bereits lernen musste. Seine 100 Prozent am Parteitag schützten ihn nur wenige Wochen vor innerparteilicher Kritik und Verlust des Kanzlerbonus in Umfragen. Sein einziger Trost besteht darin, dass Herausforderin Pamela Rendi-Wagner weit hinter den Werten ihrer Partei liegt.

Statt jedes halbe Jahr Personen lobhudelnd nach oben zu hieven und sie dann enttäuscht ins Bodenlose fallen zu lassen, sollten wir uns zentralen Fragen stellen: In wessen Hände wollen wir unsere demokratische Zukunft legen? Sind Personen wichtiger oder Parteien? Welche Persönlichkeitsmerkmale gehen einher mit verantwortungsvollem Umgang mit Macht? Welche Strukturen und Gesprächskultur müssen an Entscheidungen beteiligte Organisationen haben? Die Sehnsucht nach Wunderwuzzis hat noch nie zur Lösung einer einzigen Krise geführt.

„Gute Aussichten auf Kandidatenstatus haben diesmal ausschließlich Männer, nunt aber die Mehrheit von ihnen parteifrei.“

Kathrin Stainer-Hämmerle

kathrin.stainer-­haemmerle@vn.at

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.