Drohbriefe und abgesagte Alpabtriebe

Vorarlberg / 19.08.2022 • 04:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
In Maierhöfen im Allgäu findet heuer kein Viehscheid mehr statt. <span class="copyright">Weidegenossenschaft Maierhöfen</span>
In Maierhöfen im Allgäu findet heuer kein Viehscheid mehr statt. Weidegenossenschaft Maierhöfen

In einigen Allgäuer Gemeinden ist der Viehscheid ab sofort Geschichte. Auch Vorarlberger Älper sind betroffen.

Schwarzach, Maierhöfen Bald ist es wieder soweit und die Älpler ziehen mit ihrem mit Kränzen und Glocken geschmücktem Vieh zurück ins Tal. In Vorarlberg und anderen Alpregionen wird das seit Jahrhunderten so praktiziert. Gleich über der Grenze, in Maierhöfen im Allgäu, ist diese Tradition allerdings ab sofort Geschichte. Auch im Nachbarort Missen findet der Viehscheid, wie der Alpabtrieb im Allgäu heißt, heuer nicht statt. Die Tierschützer wird es freuen. Andere, wie Älpler Herbert Fink (60) aus Riefensberg sind darüber weniger glücklich.

„Ein Viehscheid gehört zum Alpsommer dazu“, findet Herbert Fink.
„Ein Viehscheid gehört zum Alpsommer dazu“, findet Herbert Fink.

Herbert Mader (53), Obmann der Weidegenossenschaft Maierhöfen, die sechs Alpen am Hochgrat in den Allgäuer Alpen bewirtschaftet, bekommt seit Jahren Drohbriefe von Aktivisten. „Darin steht, dass wir Tiermörder und Tierquäler sind und dass man mich eigentlich im Gefängnis Alcatraz einsperren sollte“, erzählt er im Gespräch mit den VN. Dass es in Zukunft keine Alpabtriebe mehr geben wird, habe damit allerdings nichts zu tun. Die Absage hätte vor allem organisatorische Gründe. Die Mehrheit der zwölf Bauern der Weidegenossenschaft seien dafür gewesen. „Da hängt schon wahnsinnig viel dran. Wir sind immer weniger Leute. Viele Bauern sagen auch, das ganze Jahr schert sich niemand darum was mit den Bauern ist und am Viehscheid schreit jeder, wieso wir das nicht mehr machen. Wir hatten noch nie einen Vorteil davon. Wir haben es wegen der Tradition gemacht“, erläutert Mader.

Per Lkw

Statt dem rund 30 Kilometer langen Abstieg zu Fuß, werden die rund 250 Kühe künftig mit dem Traktor oder Lkw ins Tal gefahren. Das kostet zwar mehr (rund 10.000 Euro insgesamt für die Transporte im Frühling und Herbst), ist gleichzeitig aber auch mit weniger Arbeit verbunden. Für Martin Meusburger (47) aus Bezau, der sich mit seiner Familie auf der Alpe Schilpere um 34 Kälber kümmert, ändert sich dadurch wenig. „Ich bin hier bloß der Älpler. Die Bauern bringen das Vieh und holen es wieder ab. Das war schon immer so. Die Strecke ist weit“, sagt er.

Der Viehscheid in Maierhöfen war auch ein Touristenmagnet.
Der Viehscheid in Maierhöfen war auch ein Touristenmagnet.

Nicht weiter von der Schilpere entfernt, auf der Unterlauchalpe am Hochgrat, verbringt Herbert Fink heuer den 43. Sommer. Der traditionelle Alpabtrieb ist für ihn bereits in den letzten Coronajahren ins Wasser gefallen. Dass das jetzt zur Gewohnheit werden soll, findet er schade. „Ein Viehscheid gehört zum Alpsommer dazu. Wenn das Vieh auf den Lkw aufgeladen wird, dann hast du keinen Abschluss. Aber wenn man das so beschlossen haben, dann kann man nichts machen. Die einen wollen halt keine Arbeit“, bedauert der Riefensberger.

Nicht überall

Ob auch in Vorarlberg Alpabtriebe vermehrt abgesagt werden? Dem Obmann des Vorarlberger Alpwirtschaftsvereins, Josef Türtscher, ist davon jedenfalls nichts bekannt. „Es kann sein, dass es im Einzelfall solche Überlegungen gibt, aber mir ist noch nichts zu Ohren gekommen, dass es im größeren Stil so wäre“, unterstreicht er. In Vorarlberg würde es ohnehin recht unterschiedlich gehandhabt. Nicht überall fänden größere, organisierte Alpabtriebe statt. „Es kommt ganz auf die Situation an“, sagt Türtscher, dem auch noch keine Drohbriefe untergekommen sind. „Es gibt ganz vereinzelt Stimmen, die meinen, dass es den Kühen zu laut sei. Andere haben Kummer, dass die Schellen zu groß sind. Aber als Bauer habe ich diesen Eindruck noch nie gehabt“, ergänzt er.

Herbert Mader, der Obmann der Weidegenossenschaft Maierhöfen, betont: „Mit den Viehern, die da oben sind, sollten wir auch Geld verdienen. Wir werden nicht so blöd sein und die Tiere quälen, dass man sie hinterher zum Metzger führen muss.“ VN-GER