Der Kampf eines Vaters um seine Kinder

Ulrich gründete mit einer Costa-Ricanerin eine Familie. Diese entzog ihm die Töchter.
Bartholomäberg Ulrich (60), ein ausgebildeter Nachrichtenelektroniker aus dem Montafon, arbeitete als junger Mann mehrere Jahre lang in Wien. Als der Freund seiner Schwester über seine Heimat Costa Rica schwärmte, packte den Tontechniker die Abenteuerlust. „Es reizte mich, auszuwandern.“
1989 setzte er sein Vorhaben in die Tat um. In der Hauptstadt St. José bezog er eine kleine Wohnung. Spanisch lernte er auf der Straße. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm, sich mit einem einfachen, kleinen Lokal in der Nähe eines Nationalparks eine Existenz aufzubauen. „Ich bot Fruchtsäfte, Fisch und Muscheln an.“
Seine Tochter weinte ins Telefon
Seine Freundin, eine Costa-Ricanerin, unterstützte ihn dabei. 1990 heiratete das Paar. 1992 kam die erste Tochter zur Welt, 1996 die zweite. Nun lebte die Familie in einem Haus an der Pazifikküste. „Wir haben Zimmer und Motorräder an Touristen vermietet und mit unserem Lkw Transporte durchgeführt. Außerdem arbeitete ich in einem Hotel als Manager“, berichtet Ulrich.
Als die ältere Tochter ins Schulalter kam, beschloss Ulrich, nach Österreich zurückzukehren, weil hierzulande das Schulsystem besser ist. Für Ulrich war es eine Vernunftentscheidung. Die Familie lebte sich im Ländle schnell ein, zumindest Ulrich und seine Töchter. Nach zwei Jahren reiste seine Frau mit den Kindern nach Costa Rica in die Ferien. „Geplant war ein sechswöchiger Urlaub. In der fünften Woche meldete sie sich bei mir und sagte, dass sie nicht mehr nach Österreich zurückkehren werde. Wenn ich die Kinder sehen wolle, müsse ich zu ihr kommen.“ Ulrich war geschockt. „Mir ging es sehr schlecht. Ich hatte ein inniges Verhältnis zu den Kindern.“
Aussichtsloses Vorhaben
Nachdem er sich gefasst hatte, setzte der Vater alle Hebel in Bewegung, um die Kinder zurückzubekommen. Er schaltete einen Anwalt ein und das Außenministerium. „Aber ich musste einsehen, dass ich machtlos bin. Ich hatte keine Handhabe, etwas zu erreichen in Costa Rica. Als Ausländer und Vater hast du keine Chance. Die Mutter hat alle Rechte.“
Jeden Tag versuchte der Vater seine Kinder telefonisch zu erreichen. „Aber ich bekam sie nicht ans Telefon.“ Doch einmal schaffte er es, mit seiner älteren Tochter zu reden. „Sie weinte und sagte, sie wolle zu mir. Ich sagte ihr, dass ich selbst nichts machen könne. Aber sie könne etwas tun. ,Mach‘ deiner Mutter das Leben schwer, sei aufmüpfig‘, riet ich meiner Tochter.“ Und tatsächlich: Die Strategie ging auf. Ein paar Wochen später konnte Ulrich seine Tochter am Flughafen Zürich in die Arme schließen. „Wir freuten uns riesig.“
Zuhause fiel ihnen die Kindergartentasche der jüngeren Tochter und Schwester ins Auge. „Wir weinten beide. Einerseits waren wir glücklich, dass wir uns wieder hatten, andererseits war die Kleine nicht da.“ Ulrich, der nun alleinerziehend war und von seiner Mutter und Tante unterstützt wurde, wusste nicht, ob er seine Jüngste je wiedersehen würde. „Ich habe die Kleine jeden Sonntag angerufen und mit ihr geredet.“ Zwei Jahre nach der Trennung sah er sein jüngstes Kind wieder. „Zwei Wochen war die Kleine bei mir. Sie wollte bei mir bleiben. Aber ich musste sie wieder abgeben. Das war schlimm.“
Vier Jahre lang kämpfte der Vater, der inzwischen als Hausmeister in einem Pflegeheim arbeitete, um dieses Kind. „Über Anwälte habe ich Wege gesucht, es zu bekommen.“ Die zündende Idee kam dann auch von einer Juristin. „Sie meinte, ich solle meine Ex-Frau fragen, ob sie das Mädchen gegen mein Haus in Costa Rica eintauscht.“ Und das Unglaubliche geschah: Die Mittelamerikanerin willigte in den Tausch ein.
Kleine zurückgeholt
„2005 flog ich nach Costa Rica, um die Kleine zu holen. Zehn Tage verbrachten wir dort miteinander. Zunächst fremdelte sie vor mir. Aber ich spielte und redete viel mit ihr. Als sie nach einigen Tagen von sich aus meine Nähe suchte, wusste ich, dass es funktionieren kann.“ Am Flughafen hatte Ulrich Angst, dass ihm das Kind doch noch in letzter Minute entrissen werden könnte. Als sie in der Luft waren, wich seine Angst der Erleichterung. „Da wusste ich, dass wir es geschafft haben“, erzählt er unter Tränen.
Seine Töchter sind inzwischen 30 und 25 Jahre alt. Beide haben einen Beruf gelernt und stehen fest im Leben. „Ich habe sie sehr selbstständig erzogen. Früher beschwerten sie sich über die Regeln, die ich aufstellte. Heute sagen sie: ,Papa, du hast es gut gemacht.‘“ VN-kum
