Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Sturmgefahren

Vorarlberg / 26.08.2022 • 22:41 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Wer nicht offen und ehrlich agiert, riskiert größere Schwierigkeiten. Österreichische Politik agiert nicht offen und ehrlich und steht daher im Zusammenhang mit den Sanktionen und der Teuerung vor einer großen Krise.

Was den Umgang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine betrifft, wird viel zu viel geschwiegen. Klar hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilt, was Wladimir Putin zu verantworten hat. Und ja, Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei den Bregenzer Festspielen eine beeindruckende Rede gehalten. Es bleiben jedoch Leerstellen: Nehammer mag nicht über die Neutralität diskutieren. Also auch nicht über ihre Ausgestaltung. Ergebnis: Es ist unmöglich, zu sagen, ob Österreich in einem Europa, dessen Sicherheitslage sich dramatisch ändert, eine aktive Rolle einzunehmen gedenkt, geschweige denn, welche das sein könnte. Die Schweiz ist diesbezüglich weiter: Ihr ist die Neutralität ein Anliegen, also führt sie auch einen Diskurs über ihren Bedeutungswandel und daraus resultierende Konsequenzen.

Die Sanktionen wiederum sind hierzulande so unzureichend begründet, dass nicht einmal Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer oder der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (beide ÖVP) überzeugt davon sind. Das ist gefährlich. Sollten Unternehmen in ein paar Monaten zusperren müssen, Arbeitnehmer auf der Straße landen und Wohnungen aufgrund ausbleibender Gaslieferungen kalt bleiben, kann man nicht erwarten, dass eine Masse sagt, okay, das ist eben der Preis für die Verteidigung der Demokratie gegen einen bedrohlichen Diktator. Im Gegenteil: Wenn schon Leute wie Mahrer und Stelzer zweifeln und weil man es vernachlässigt, für die Sanktionen zu argumentieren, ist eher mit Protesten dagegen zu rechnen, denen eine ohnehin schon geschwächte Regierung kaum standhalten können wird. Worauf Putin im Übrigen setzt.

Zumindest Unverständnis, eher aber Wut und Empörung gibt es in Teilen der Bevölkerung darüber, dass Steuerzahler der Verbund-Gesellschaft, die mehrheitlich in staatlichem Eigentum steht und gerade fette Gewinne schreibt, die Wiederinbetriebnahme des Kohlekraftwerkes Mellach in der Steiermark finanzieren sollen oder dass etwa die der Bundeshauptstadt gehörende Wien Energie schwindelerregende Preiserhöhungen für Strom, Gast und Fernwärme vornimmt.

Damit kein Missverständnis entsteht: Hinweise auf unternehmerische Zwänge, freie Märke und vieles andere mehr sind korrekt. Bei Beteiligungsunternehmen des Bundes ist sich dieser aber nicht zu dumm, ausschließlich parteipolitisch motivierte Personalentscheidungen durchzusetzen, in der jüngeren Vergangenheit also eher nur schwarz-türkise. Und in der Bundeshauptstadt ist eine SPÖ bestimmend, die gerne den Eindruck erweckt, einen starken (Teil-)Staat zu praktizieren, der im Sinne der Menschen alles regelt. Da sollten sich Nehammer und Co. genauso wenig wundern, dass ihnen die Entwicklungen um die Verbund-Gesellschaft auf den Kopf fallen wie Bürgermeister Michael Ludwig und Genossen, dass ihnen das Vorgehen der Wien Energie zum Verhängnis werden könnte.

„Wenn Leute auf der Straße landen, kann man nicht erwarten, dass sie sagen, okay, das ist der Preis, der zu bezahlen ist.“

Johannes Huber

johannes.huber@vn.at

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.