Hans Concin

Kommentar

Hans Concin

Fristenregelung

Vorarlberg / 27.08.2022 • 09:59 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, wie zum Beispiel in den USA und Polen, führt weltweit immer wieder zu Diskussionen. Sollen Frauen in einer Notsituation gerichtlich verfolgt und bestraft werden? Wer will ihnen qualifizierte ärztliche, psychologische und soziale Hilfe durch Androhung von Sanktionen verweigern? Wer will einen Zustand wiederherstellen wie in Österreich vor 50 Jahren, wie ich ihn noch erlebt habe?

Umfragen in verschiedenen Ländern ergeben, dass nur eine Minderheit die Wiedereinführung der Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs befürwortet. Junge Erwachsene können weit überwiegend nicht verstehen, dass es Überlegungen gibt, ihnen die Selbstbestimmung über ihren Körper zu entziehen. Die Gegner der Fristenlösung drücken sich häufig geschickt um die Beantwortung der zentralen Frage, die sich für betroffene Frauen und Ärzte (Berufsverbot) stellt: Bestrafen oder nicht bestrafen?

Die seit 1975 in Österreich bestehende Fristenregelung hat sich bewährt, und ich halte sie für die bestmögliche Lösung dieser schwierigen Konfliktsituation: Ein Schwangerschaftsabbruch ist grundsätzlich strafbar. Unter Einhaltung der abtreibungsrechtlichen Bestimmungen bleibt ein Schwangerschaftsabbruch aber für die Frau und den Arzt straffrei. Die katholische Kirche hat grundsätzlich eine andere Position. Wir verdanken es Kardinal König, dass die Trennung von Kirche und Staat, wie wir sie heute von allen Konfessionen verlangen, in Österreich umgesetzt wurde.

Das Spießrutenlaufen der Rat und Hilfe suchenden Frauen durch ein Spalier von Abtreibungsgegnern könnte die Politik rasch abstellen.

In Vorarlberg war und ist die Abtreibungssituation für betroffene Frauen und Ärzte schwierig. Jahrzehntelang gab es hier kein Angebot, und so mussten die Frauen nach Innsbruck und Wien reisen. Beratung, Unterstützung und Nachsorge waren unzureichend, bis sich ein deutscher Gynäkologe mit einer Niederlassung in Bregenz dieses Problems angenommen hat. Die Erleichterung bei den Frauen und auch bei vielen Frauenärztinnen und Frauenärzten war und ist groß. Aber man hat es dem Kollegen aus Lindau nicht leicht gemacht. Zum Beispiel gibt es die Bannmeile (100 Meter würden genügen) bis heute nicht. Das Spießrutenlaufen der Rat und Hilfe suchenden Frauen durch ein Spalier von Abtreibungsgegnern könnte die Politik rasch abstellen.

Wie soll es in Vorarlberg weiter gehen, wenn das einzige Angebot ausläuft? Aus meiner jahrzehntelangen Spitals- und Ordinationserfahrung empfehle ich, die Fristenlösung im niedergelassenen Bereich anzusiedeln. Es gibt in Vorarlberg genügend geeignete Eingriffsräume (Operationsräume), die für ambulante Operationen zugelassen sind und von verschieden Fachdisziplinen genutzt werden können. Ich bin auch überzeugt, dass sich Gynäkologen und Anästhesisten finden werden, die bereit sind, außerhalb ihrer Praxis bei geeigneten Rahmenbedingen diese Aufgabe zu übernehmen. Bedingung wird sein, jegliche Diskriminierung dieser Ärzte zu vermeiden und für die Frauen einen anonymen Zugang zu schaffen. Für angestellte Ärzte sollte die Möglichkeit, in einer solchen Einrichtung mitarbeiten zu können, unterstützt werden, und auch die Standesvertretung sollte sich hinter ein solches Projekt stellen.

Hans Concin

hans.concin@vn.at

Prim. a. D. Dr. Hans Concin

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