Ein Pionier des Föderalismus

Bundesrat a. D., Minister a. D. Jürgen Weiss feiert seinen 75. Geburtstag.
BREGENZ Heute feiert der frühere Landesparteisekretär, Bundesrat, Bundesratspräsident, Bundesminister und Ständige Bundesratsvizepräsident sowie Mitglied des ORF-Kuratoriums, Jürgen Weiss, seinen 75. Geburtstag. Er war und ist ein Föderalismus-Pionier und zwar gleicher Weise in seinem Bundesland Vorarlberg wie auf Bundesebene.
Der verstorbene Vorarlberger Landeshauptmann Herbert Kessler führte über Jürgen Weiss zu dessen 60. Geburtstag aus: „Weil sich der Jubilar zur christlichen Soziallehre bekennt, ist er als Folge ein überzeugter und überzeugender Föderalist. Der Föderalismus ist die Konsequenz der Subsidiarität. „Jürgen Weiss ist in all den Jahren seiner politischen Arbeit in Wien ein echter Vorarlberger, ein echter Alemanne geblieben: volksverbunden, bescheiden, stolz auf die landschaftliche Schönheit, die Geschichte, die Kultur und die Wirtschaftskraft seiner Heimat.“
Anlässlich seines 75. Geburtstags legt Jürgen Weiss gegenüber den VN seine zeitgemäße persönliche föderalistische Betrachtungsweise dar, eine Sicht, aus der heraus er immer bemüht war, Arbeit für sein Land und den gemeinsamen Staat zu leisten. „Bei immer mehr Herausforderungen für den Staat wird deutlich, wie notwendig einheitliche Ziele und Spielregeln sind, zugleich aber flexible Handlungsmöglichkeiten für die Länder, Gemeinden und zivilgesellschaftliche Organisationen.“
Denn: „Festgefahrenes schwarz-weiß-Denken ist für zeitgemäßen Föderalismus überholt, ein ausgewogenes und nicht bloß von oben vorgegebenes Miteinander ist vernünftig. Besonders in Vorarlberg ist es gute Tradition, möglichst viel in eigener Verantwortung erledigen zu wollen und auch zu können. Wenn man als Vertreter des Landes in der Bundespolitik tätig ist, kann man eigentlich gar nicht anders, als ausreichende Handlungsspielräume zu verteidigen und darauf zu achten, dass Länder und Gemeinden ebenso wie die Bürgerinnen und Bürger möglichst viel selbst in die Hand nehmen können. Und zwar nicht nur dann, wenn in der Bundespolitik der Hut brennt und notwendiges Handeln in die Eigenverantwortung abgeschoben wird.“
Jürgen Weiss wurde am 30. August 1947 in Hard geboren und maturierte 1965 an der Bundeshandelsakademie in Bregenz. Am 1. August 1965 trat er in den Vorarlberger Landesdienst ein. Seine politische Laufbahn begann er 1969 bis 1991 als Landesgeschäftsführer der Vorarlberger ÖVP und von 1990 bis 1995 war er Mitglied der Stadtvertretung von Bregenz. Mit seinen damals seltenen EDV-Kenntnissen machte er das Landesparteisekretariat zu einer schlagkräftig organisierten Einrichtung. Ab dem Jahre 1991 gehörte er dem Bundesparteivorstand an und von 1979 bis 1991 war er Mitglied im ORF-Kuratorium. Er hat in dieser Eigenschaft die Entwicklung des Rundfunk- und Fernsehwesens mitgestaltet.
Sein Werdegang führte ihn 1979 in den Bundesrat, der sein politisches Wirken über drei Jahrzehnte prägte – unterbrochen nur von 1991 bis 1994, als Jürgen Weiss Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform war. Bundesstaats- und Verwaltungsreform waren auch die wichtigsten Projekte seiner Tätigkeit als Minister. In der Zeit als Bundesminister konnte Jürgen Weiss auch die Vorbereitung des österreichischen EU-Beitritts mitgestalten, insbesondere hinsichtlich ausreichender Einbindung der Länder.
Viermal fungierte er turnusmäßig als Präsident des Bundesrates, über zehn Jahre war er Ständiger Vizepräsident der Länderkammer.
Ab 2007 arbeitete er federführend in jener Expertengruppe im Bundeskanzleramt mit, deren Vorschläge im gleichen Jahr zur Grundlage des Beschlusses eines „Demokratiepaketes“ im Parlament wurden.
Am 25. März 2009 kündigte Jürgen Weiss sein Ausscheiden aus dem Bundesrat mit Ende April des Jahres an. Am 8. Mai übernahm sein Nachfolger, der heutige Finanzminister Magnus Brunner, die Funktion von Jürgen Weiss im Bundesrat.
Neben seiner politischen Tätigkeit hat sich Jürgen Weiss auch durch vielfältiges karitatives Engagement verdient gemacht, etwa durch die Unterstützung klösterlicher Gemeinschaften in Vorarlberg. So war er federführend bei den Sanierungen des Kapuzinerklosters und des Klosters Sacré-Coeur Riedenburg in Bregenz sowie der Renovierung des Redemptoristinnen-klosters in Lauterach tätig.
Aktuell analysiert er das politische Geschehen in Österreich als Kolumnist der Vorarlberger Nachrichten.
Jürgen Weiss wurde für sein verdienstvolles Wirken vielfach hoch ausgezeichnet, darunter 2009 mit dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg. EE
