Drohender Femizid: Wenn Frauen in Gefahr sind, drängt die Zeit

Opferanwältin Eva Müller weiß, was wichtig ist, bevor die Flucht ergriffen wird.
FELDKIRCH Seit vielen Jahren kümmert sich Rechtsanwältin Eva Müller um misshandelte und gedemütigte Frauen und Kinder.
Gewalt hat viele Facetten und reicht von Stalking bis zum Mord. Wie sehr die Zeit drängt, zeigt folgendes Beispiel: „Das Opfer war bereits mit uns in Kontakt, das Scheidungsverfahren am Laufen; die Frau war dabei, ihr Leben in geordnete Bahnen zu lenken und ihre finanzielle Situation zu klären, als sie ermordet wurde. Sie hatte mir gegenüber zwar angegeben, dass sie Angst vor ihrem Gatten habe, hat aber meiner Meinung nach nicht mit dieser Gewalttat gerechnet. Als sie bei einem vereinbarten Gerichtstermin nicht erschien, wurde erst klar, dass hier etwas nicht stimmt. Sie war nicht mehr am Leben.”
Mehr Glück gehabt
Im Gegensatz zu diesem traurigen Ausgang steht ein anderer Fall der Anwältin: „Ich hatte vor ca. zwei Jahren einen Fall, bei dem sich die Frau erfolgreich gegen ihre Ermordung gewehrt hat (Messerstich in den Hals in der Nacht). Ihr Ehemann wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt, das Gewaltopfer war schwer verletzt für eine lange Zeit im Frauenhaus, hat sich dort körperlich und psychisch erholt und lebt jetzt gewaltfrei.” Häufig kündigt sich das Unheil vorher an.
„Wenn keine Akutsituation vorliegt, rate ich Opfern, sich bei Gewaltschutzzentren oder bei der Frauenhelpline (beide kostenlos und auf Wunsch anonym) beraten zu lassen. Wenn akute Gefahr droht, sollte man sofort die Polizei verständigen.”
Stets Platz vorhanden
In Österreich wird keine Frau abgewiesen, die wegen einer akuten und gefährlichen Situation Hilfe sucht. In solchen Fällen werden im Falle 100%iger Auslastung auch Notbetten aufgestellt, damit keine Frau und kein Kind um ihr bzw. sein Leben bangen muss. Grundsätzlich sind Frauenhäuser rund um die Uhr unter der Telefonnummer 05-1755-577 erreichbar und bieten Opfern von Gewalt und ihren Kindern eine vorübergehende Wohnmöglichkeit. Darüber hinaus werden Beratungsleistungen angeboten.
Idealerweise sollten neben Kleidung auch die wichtigsten Dokumente mitgenommen werden, notwendig ist das aber nicht. Die Adresse ist anonym und es werden keine Informationen an Außenstehende gegeben, wodurch die Frauen bestmöglich geschützt sind. Müller weiß, dass vor allem bei Familien mit stark ausgeprägten patriarchalischen Strukturen der Druck hoch ist.
Einige praktische Ratschläge für Betroffene gibt es. So zum Beispiel unbedingt das Handy und soziale Medien mit einem guten Passwort sichern. Ebenso macht es Sinn, einen Notfallkoffer mit den wichtigsten Dingen an einem sicheren Platz, beispielsweise bei einer Freundin, zu deponieren. Wenn Gefahr für Kinder besteht, unbedingt die Schule informieren, dass die Kinder keinesfalls vom Gewalttäter abgeholt werden dürfen. Die Angst, dass sich ein verurteilter Täter nach der Haftentlassung rächt, ist für Müller nachvollziehbar, in der Praxis aber kaum Thema. EC