Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Was werden sich die Leute denken?

Vorarlberg / 06.09.2022 • 09:59 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Es ist Samstagnachmittag, es regnet, ich mache einen Mittagsschlaf, dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden.

Auf einmal schlägt der Hund an, ich stolpere aus dem Halbschlaf nach unten und steh dann in meinem Garten vor zwei Männern aus dem Ort, dem Rudi und dem Karl, ich in einem alten löchrigen Männer-Leiberl, sie in schnieken Feuerwehr-Uniformen. Ah, es ist Sammlung, Grüßgott, ich geh mir mal eine Hose anziehen, der Hund unterhält sich inzwischen mit euch.

Aber als gelernte Vorarlbergerin hatte ich zum Glück einen ordentlichen Schnaps im Haus. Birne oder Marille?

Und ist natürlich wieder typisch. Wie sie wieder gehen, denk ich mir, was sie beim nächsten Haus alles von mir zu erzählen haben: der Rasen nicht gemäht, der Hund folgt nicht, die Haare auf halbacht, das Frühstück noch am Tisch, am hellen Nachmittag!, und zu guter Letzt nicht genug Bargeld für eine ordentliche Spende für die Feuerwehr im Haus. Ja, Entschuldigung, wie konnte ich ahnen, dass ihr heute kommt!

Aber als gelernte Vorarlbergerin hatte ich zum Glück einen ordentlichen Schnaps im Haus. Birne oder Marille? Es regnete nicht mehr, der Hund hatte endlich zu kläffen aufgehört, und wir kippten einen zusammen, redeten über die Trockenheit, über unsere Beschwerden (2 x Rheuma, 1 x Ischias, 1 x Migräne, 1 x Long Covid), wie brutal uns der lokale Energieversorger die Vierteljahreszahlungen erhöht hat, wie teuer der Winter wird, wie die Wiener jetzt den Waldviertlern alles Holz wegkaufen wollen, und dass einer immer noch geht. Und der Wilfried hat jetzt auch einen Welpen, hast du gesehen. Wer ist nochmal der Wilfried? Na, der im gelben Haus bei der Brücke, der Hund wird ein Monster, pass auf. Dass Brennessel-Samen ein gutes Gewürz ergeben, wie viele Steinpilze es heuer gibt und was für einen beeindruckenden neuen Schuppen der Benno baut, mit seinen eigenen Händen, aus dem Holz vom eigenen Wald, dabei hat er doch eh schon so viel Arbeit. Dann mussten sie weiter, zum nächsten Haus, sie tanzten aus meinem Garten wieder hinaus, der Hund begleitete sie wedelnd bis zum Tor.

Und wahrscheinlich haben sie sich einfach gar nichts gedacht, außer, dass der Schnaps gut war. Es ist bei mir nur der alte Vorarlbergerinnen-Reflex: Was werden sich die Leute denken! Was werden sie über mich erzählen! Vermutlich gar nichts, weils bei ihnen daheim vielleicht auch nicht ordentlicher ausschaut, wenn man unangemeldet vorbei kommt, und ihre Hunde kläffen auch, und wie es bei den Leuten hinterm Haus ausschaut, geht ja eigentlich niemanden was an, oder. Und ist es nicht eigentlich sowieso wurscht, was die anderen denken? Eigentlich schon; also.

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.