Dann lerns halt endlich
Ein Leser rügt mich. Er stieß sich an Formulierungen, die ich in der letzten Kolumne verwendete. Also, ja, das „Ketschup“ war ein übersehener Tippfehler. Aber dass ich gern „am Land“ draußen bin und mich „am Sofa“ verkrieche, das war schon Absicht.
Und zwar warum: Hier in Wien, wo ich wohne, sagt man so. Und ich finde, was man so sagt, das darf auch Eingang in die geschriebene Sprache finden. Wie wir sprechen, wie wir schreiben, das ist ja nicht über die Jahrhunderte fix einbetoniert, das verändert sich. Eine Sprache, die sich nicht an die Sprechenden anpasst, die sich nicht mitentwickelt, kann irgendwann die Realität nicht mehr abbilden. Eine Sprache, die sich nicht verändert, findet auch nicht mehr die Worte für Veränderung.
Und es ist ja bekanntlich auch nicht so, dass eine Nation eine Sprache spricht. Selbst ein vergleichsweise kleines Land wie Österreich spricht viele Sprachen. Was ja gerade wir Vorarlbergerinnen am besten wissen, weil von uns ständig erwartet wird, dass wir unseren Sprachgebrauch dem Rest von Österreich anpassen sollen, weil wir sonst nicht verstanden werden. Wo ich jetzt endlich ein Selbstbewusstsein entwickle und auch manchmal sage: Dann lerne halt endlich, das zu verstehen, ist ja irgendwie engstirnig und ein bisschen peinlich, dass du dich weigerst, dich mit einem Dialekt auseinanderzusetzen, der in deinem Land seit jeher gesprochen wird. Manchmal kommt mir vor, es verstehen mehr Ostschweizer Französisch und Italienisch als Niederösterreichinnen, Burgenländer und Wienerinnen Vorarlbergerisch, und das darf sich meiner Meinung nach ruhig auch ändern.
Wenn mir jemand sagt, dass etwas so und so gehört, weil es immer schon so war oder weil irgendwer es so bestimmt hat, dann werd ich sowieso schon load. (Allein davon, wieviel verschiedene Ausdrücke das Ländle für die unterschiedlichen Nuancen schlechter Laune kennt – load, effig, grötig, sealza, hässig -, da muss man doch neidisch werden als Restösterreicher).
Der Purismus ist nicht mein Freund. Es macht einem das Leben schwer, wenn immer alles perfekt sein und aufs Haar stimmen muss. Ich komme da mehr vom Improvisieren. Wenn etwas kaputt ist, dann flickt man es so gut es geht, wenn etwas nicht passt, dann macht mans halt ungefähr passend. Manchmal tuts ein Kabelbinder oder ein Stück Draht genauso wie das teure Originalersatzteil, das erst importiert werden muss. Oder man macht es wie die Japaner beim Kintsugi und pickt die kaputte Tasse nicht nur wieder schön zusammen, man betont die Bruchstelle auch noch mit Goldfarbe. Und auch deshalb finde ich es am Sofa genau so gemütlich wie darauf.
Doris Knecht
doris.knecht@vn.at
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
Kommentar