Das karge, aber ausgefüllte Dasein einer Kleinstrentnerin

Vorarlberg / 04.10.2022 • 15:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Das Talent kommt vom Vater. Gisela Eder malt schöne Bilder. <span class="copyright">kum</span>
Das Talent kommt vom Vater. Gisela Eder malt schöne Bilder. kum

Gisela Eder (83) ist eine Sparmeisterin. Trotz kleiner Rente bringt sie sich durch.

Feldkirch Das Leben nahm Gisela Eder (83) schon früh hart ran. „Meine Mutter vernachlässigte mich als Baby. Sie ließ mich stundenlang allein und brachte mir keine Liebe entgegen. Die ältere Schwester galt alles, ich nichts.“

Niedlich. Gisela als kleines Mädchen.
Niedlich. Gisela als kleines Mädchen.

Die gebürtige Deutsche kann sich nur an eine einzige Liebkosung erinnern. „Ich saß in der Kirche neben Mama. Sie und der Pfarrer lächelten sich zu. Da drückte sie mich kurz an sich.“

Schon als Kind musste die Tochter eines Bergmannes und Bauern viel arbeiten. „Ich fegte den Hof, stapelte Holz und putzte Schuhe. Wenn Erntezeit war, durfte ich nicht mehr zur Schule gehen.“ Mit 14 schickte sie die Mutter – als einziges der vier Kinder – in die Fabrik. „Ich habe im Akkord Zigaretten gewickelt.“ Mit 23 wurde Gisela von einer Urlaubsliebe schwanger. „Ich wollte von dem Mann aber nichts mehr wissen. Jetzt war ich noch mehr verstoßen und allein.“

1963 heiratete sie den Freund des Kindsvaters, einen Forstarbeiter „Wir zogen mit meiner Tochter nach Frastanz/Amerlügen, weil mein Mann hier Arbeit fand.“ Das Paar baute zusammen ein Haus. „Ich habe Zimmer vermietet. Nebenher bin ich noch putzen gegangen“, berichtet Gisela, die im Jahr 1965 noch einmal Mutter wurde. Es war eine arbeitsreiche und entbehrungsreiche Zeit damals. „Ich habe von morgens bis abends gebuckelt.“ Nachsatz: „Damit wir uns ein Schlafzimmer kaufen konnten, habe ich mir meine elf Versicherungsjahre auszahlen lassen.“ Dies bereute sie später sehr. Denn ihre Ehe zerbrach Ende der Neunzigerjahre.

Die Künstlerin verbringt viele Stunden vor der Staffelei.
Die Künstlerin verbringt viele Stunden vor der Staffelei.

Nach der Scheidung ging es mit Gisela, die noch einige Jahre in einem Altersheim arbeitete, gesundheitlich abwärts. „Ich hatte einen Nervenzusammenbruch.“ Ein Verkehrsunfall, bei dem sie sich schwere Verletzungen zuzog, verschlimmerte ihre Nervenkrankheit. „Aufgrund dieser bin ich zu 90 Prozent behindert.“

Gisela, die mit dem Erbe ihrer Eltern ihre Versicherungszeiten zurückkaufte, lebt heute in einer 53 Quadratmeter kleinen Sozialwohnung in Feldkirch. Obwohl ihre Rente sehr gering ist und nur einige Hundert Euro ausmacht, bringt sie sich durch. Denn: „Ich bin eine Sparmeisterin. Mein hartes Leben hat mich sparen gelehrt.“

Die Stromverteuerung tangiert sie nicht sehr. „Ich zahle nur ein paar Euro mehr.“ Die Pensionistin verbraucht nicht viel Strom. Die Lichter in ihrer Wohnung sind fast nie an, auch abends nicht. „Ich gehe ja schon um 21 Uhr zu Bett.“ Die Geschirrspülmaschine in der Küche läuft nie. Die hat sie gar nicht angeschlossen. Gisela spült das Geschirr einmal am Tag mit der Hand ab. Das Warmwasser hierfür holt sie sich aus dem Badezimmer. Denn der Warmwasserboiler in der Küche ist ausgeschaltet. Einmal in der Woche wäscht die Kleinstrentnerin ihre Kleidung, die sie im Secondhand-Shop der Caritas erstanden hat. „Ich schalte die Waschmaschine am Samstagnachmittag ein. Da ist es billiger.“

Bei Tischlein deck dich holt sie Lebensmittel

Dass die Preise für Lebensmittel in die Höhe geschnellt sind, trifft sie nicht wirklich. Denn Gisela bezieht diese seit elf Jahren ausschließlich bei Tischlein deck dich. Sie schätzt, dass sie sich dadurch zweihundert Euro im Monat erspart. „Ich hatte nie große Ansprüche. Ich esse das, was da ist.“ Die Obstschale auf dem Tisch ist mit zwei Birnen und einem Apfel gefüllt. Auch ein Tellerchen mit Keksen steht einladend auf dem Tisch. Der Kühlschrank ist gefüllt, unter anderem mit Wurst, Speck, Schinken, vegetarischem Schnitzel, Salat und Milch. „Weil noch Milch da ist, gibt es heute Abend einen Griesbrei“, freut sie sich.

Am Nachmittag wird sie sich vor die Staffelei setzen und malen, das bereitet ihr das größte Vergnügen. Nach ihrer Pensionierung wurde sie zur Künstlerin. Seither malt sie intensiv, oft sind es mehrere Bilder im Monat. Die Technik(en) eignete sich Gisela aus Fachbüchern an. Das Talent erbte sie von ihrem Vater, der Ölbilder malte und auch ein guter Schnitzer war. Für die Kunst gibt die kreative Frau monatlich rund 50 Euro aus. „Gute Farben sind teuer.“ Dieses Geld reut die Künstlerin, deren Farbgefühl bestechend ist, nicht. Denn: „Die Kunst bedeutet mir alles.“ Ab Anfang November kann man eine Auswahl ihrer Werke in der Sparkasse Feldkirch-Stadt bestaunen.