Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Ende mit Schrecken

Vorarlberg / 04.10.2022 • 19:17 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Am Sonntag geht ein quälender Wahlkampf zu Ende. Obwohl ganz Österreich seit dem Bekanntwerden des Ibizas-Videos (Sie erinnern sich? Zwei Spitzenpolitiker phantasieren alkoholtrunken vor einer falschen russischen Oligarchennichte über die Übernahme der Macht) weiß, dass der Bundespräsident viel mehr ist als ein politischer Grüßaugust oder überparteilicher Frühstücksdirektor, dümpelt die Auseinandersetzung um das höchste Amt der Republik am Rande des Fremdschämens dahin. Der Amtsinhaber entzieht sich der Diskussion. Das ist sein gutes Recht und wahlstrategisch eine gute Entscheidung. Gleichzeitig überlässt er damit seinen Herausforderern die Bühne für ihre Zwecke.

Da wäre Walter Rosenkranz, der als Oppositionspolitiker Stimmung gegen die Regierung macht. Wahrscheinlich hofft er als Lohn für seine Mühen bei der nächsten Nationalratswahl an Seite von Herbert Kickl zu jubeln. Michael Brunner nutzt diesen Wahlgang ebenfalls als Probelauf für den Einzug seiner MFG ins Parlament. Beide Kandidaten verblassen etwas gegenüber Tassilo Wallentin, der sich selbst als Prophet und Experte aller Krisen inszeniert und bei Auftritten fleißig seine Bücher verkauft. Rhetorisch sind alle Gerald Grosz nicht gewachsen, dessen Geschäftsmodell schon lange Klicks und Likes oder jede andere Art von Publicity lautet. Egal auf welcher Grundlage, mit welcher Peinlichkeit oder bei welcher Gelegenheit. Auch Heinrich Staudinger wird trotz seiner skurrilen Ansichten („Die #MeToo-Bewegung wurde vom CIA, dem Auslandsgeheimdienst der USA, erfunden.“) seine Schuhe besser verkaufen als zuvor. Bleibt noch Dominik Wlazny, der Erfahrungen sammelt und vor allem Fans als Musiker und Bezirkspolitiker.

Viele Motive treiben die Kandidaten also an, nur wenige haben mit dem Amt selbst zu tun. Zusätzlich sind die Konfrontationen von Vorwürfen an Abwesende (die Bundesregierung) und Vorführen von Anwesenden geprägt. Insgesamt kein Klima, in dem sich eine niveauvolle und vertrauenserweckende politische Debatte entwickeln kann. Vor allem die Parlamentsparteien haben es verabsäumt, eine bessere Grundlage für schlechte Zeiten zu schaffen. Die Furcht, diese Wahl wieder zu verlieren, darf kein Grund sein auf einen Kandidaten (oder besser Kandidatin) zu verzichten. Bei entsprechender Diskussionskultur gehen selbst unterlegene Bewerber nicht unbedingt als Verlierer vom Platz. Die fehlende Wahlkampfkostenrückerstattung mag schmerzen. Aber wer sagt denn, dass jeder Wahlkampf Millionen kosten muss? Vor allem wenn bei anderer Gelegenheit gerne betont wird, dass uns Demokratie auch etwas Wert sein muss.

Morgen ist es exakt ein Jahr her, dass eine Hausdurchsuchung im Bundeskanzleramt und in der ÖVP-Parteizentrale das politische Ende von Sebastian Kurz eingeleitet hat. Seither kämpfen alle Parteien um das verlorene Vertrauen der Bevölkerung. Dieser Wahlkampf ist eine verpasste Gelegenheit zu beweisen, dass sie die Erwartungen und die gesellschaftlichen Änderungen erkannt haben.

„Viele Motive treiben die Kandidaten also an, nur wenige haben mit dem Amt des Bundespräsidenten selbst zu tun.“

Kathrin Stainer-Hämmerle

kathrin.stainer-­haemmerle@vn.at

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.