Was der Bundespräsident darf und was nicht

Vorarlberg / 06.10.2022 • 22:26 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Die berühmte Tapetentür führt zum Arbeitszimmer des Staatsoberhauptes in der Hofburg.APA/Hochmuth
Die berühmte Tapetentür führt zum Arbeitszimmer des Staatsoberhauptes in der Hofburg.APA/Hochmuth

Staatschef kann Regierung entlassen, eine Neuwahl gibt es nicht automatisch.

Schwarzach „Der Bundespräsident muss sich immer sehr verantwortungsvoll die Frage stellen: was dann?“ Das sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier über die Kompetenzen des Staatsoberhauptes. Diese haben im Wahlkampf großen Raum eingenommen: Gleich mehrere Gegenkandidaten von Alexander Van der Bellen brachten im Falle eines Wahlsieges die Entlassung der Bundesregierung ins Spiel.

„Falscher Aberglauben“

Für fast alle seine Tätigkeiten brauche der Bundespräsident Vorschläge von Regierung oder Nationalrat, erklärt Filzmaier auf VN-Nachfrage. Bei dieser nicht. Es handle sich aber um einen falschen Aberglauben, dass dann automatisch Neuwahlen folgen. Sollte der Bundespräsident die Regierung tatsächlich entlassen, gelte es, umgehend eine neue zu ernennen. „Realpolitisch muss diese eine Mehrheit im Nationalrat haben, sonst wird sie mit einem Misstrauensvotum zu Fall gebracht.“ Der Politologe verweist in diesem Zusammenhang auf die Expertenregierung unter der Kanzlerin Brigitte Bierlein, die Van der Bellen gemeinsam mit den Parteien abgestimmt habe.

Es gibt aber ein weiteres Szenario: Bevor die Abgeordneten zusammentreten, könnte der Bundespräsident den Vorschlag „seiner“ neuen Expertenregierung zur Auflösung des Nationalrats ohne den dortigen Rückhalt annehmen. Filzmaier bestätigt zwar, dass dies rechtlich möglich wäre. „Das würde aber die Idee der Verfassung verletzen. Wenn der Bundespräsident das willkürlich macht, wäre es am Rande des Versuchs eines Staatsstreichs.“ Er nennt ein Beispiel: „Der Bundespräsident entlässt die Regierung um elf Uhr, um zwölf Uhr gelobt er seine Büromitarbeiter oder sonstige Vertrauenspersonen als neue Regierung an, diese schlägt ihm um 13 Uhr die Auflösung des Nationalrats vor.“ Somit hätte er die Möglichkeit des Nationalrats, die Regierung mit Misstrauensvotum abzuberufen, umgangen. „Er könnte theoretisch auch die Mitglieder aus seinem Sportverein angeloben und versuchen, bis zu einer Neuwahl im Wechselspiel mit Nordverordnungen zu regieren.“ Zwar habe der Bundespräsident rein rechtlich diesen Spielraum. „Dem Geist der Verfassung entspricht das kaum.“

Regierungsbildung am wichtigsten

Als realpolitisch bedeutsamste Kompetenz bezeichnet Filzmaier ohnehin die Angelobung der Regierung. So ernennt das Staatsoberhaupt den Kanzler und die übrigen Regierungsmitglieder auf dessen Vorschlag. Selbst im Fall einer absoluten Mehrheit könnte es einzelne Minister ablehnen. Es brauche aber das Wechselspiel mit dem Regierungschef. „Sonst gibt es eine Blockadesituation.“ VN-RAM

Filzmaier zufolge ist die wichtigste Frage
Filzmaier zufolge ist die wichtigste Frage “Was dann?”