Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

600 Arbeitsstunden

Vorarlberg / 11.10.2022 • 11:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Neben dem Recht, mit – letztlich vom guten Willen der Mehrheit abhängigen – Anträgen Landtagsbeschlüsse zu initiieren, haben Oppositionsparteien wichtige Kontrollrechte. Das betrifft die gemeinsame Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und in erster Linie die Möglichkeit, die Arbeit der Landesregierung mit parlamentarischen Anfragen zu kontrollieren. Gelegentlich wird dieses Instrument auch von Abgeordneten der Regierungsparteien genutzt. Dabei geht es offenkundig weniger darum, die eigenen Regierungsmitglieder scharfer Kontrolle auszusetzen als darum, ihnen die Bühne einer Anfragebeantwortung zu geben.

„Das alte Gegensatzpaar Regieren-Kontrollieren ist überholt.“

Beschränkt ist diese Kontrolle naturgemäß dadurch, ob das befragte Regierungsmitglied für den Gegenstand der Anfrage überhaupt zuständig ist. Im Nationalrat wird das streng gehandhabt, im Vorarlberger Landtag lässt die Landesregierung in der Regel fünfe gerade sein und holt, was die Anfragenden übrigens auch selbst könnten, Auskünfte bei den eigentlich zuständigen Stellen ein. Allerdings sind solche Anfragebeantwortungen dann von einer mündlichen Erörterung im Landtag ausgeschlossen. Dass die Anfragen teilweise erheblichen Verwaltungsaufwand verursachen, liegt in der Natur der Sache. Das steht aber in keinem Verhältnis zu den Kosten, die mit Nicht-Kontrolle verbunden sein können.

Dass diese Überlegungen aber auch an ihre Grenzen kommen können, wurde in den letzten Tagen mit einer Anfragebeantwortung zu externen Beratungs- und Dienstleistungen im Amt der Landesregierung deutlich. Die Regierungsmitglieder von ÖVP und Grünen weisen darauf hin, dass für die Beantwortung der sehr ins Detail gehenden Fragen die Landesverwaltung rund 600 Arbeitsstunden, umgerechnet 75 Arbeitstage, aufwenden musste. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass ähnliche Landtagsanfragen schon mehrfach – nämlich elfmal – beantwortet worden waren. Als Ergebnis der 75 Arbeitstage waren der Anfragebeantwortung dann Tabellen im Ausmaß von 44 Seiten angeschlossen. Zu hoffen ist, dass die Abgeordneten für das Auswerten dieser Unterlagen ebensolche Mühe wie die Landesverwaltung für ihre Erarbeitung aufwenden werden.

Das alte Gegensatzpaar „Die Regierung arbeitet und die Opposition kontrolliert“ ist heute eigentlich überholt. Es hat sich herausgebildet, in die Informations- und Entscheidungsprozesse der Regierungsparteien im Sinne ganzheitlicher Politik vermehrt auch die anderen Fraktionen einzubinden. Dafür gibt es zahlreiche Berichtspflichten und auch informelle Zusammenkünfte, bei denen Regierungsmitglieder alle Fraktionen in das Geschehen einbinden. Dass das offenbar nicht immer geschehen ist, hat sich jetzt mit einem Verwaltungsaufwand von 600 Arbeitsstunden gerächt.

Jürgen Weiss

juergen.weiss@vn.at

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.