Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Die Macht der Bilder

Vorarlberg / 11.10.2022 • 18:10 Uhr / 2 Minuten Lesezeit

Eine Ente schnattert vorlaut, sonst bleibt es ruhig. Eine Handvoll Wind kräuselt das Wasser. Die Bäume am Ufer kokettieren mit ihren verschwimmenden Spiegelbildern. Für eine Weile schält sich die sinkende Sonne aus der Wolkendecke und tut gerade so, als kehrte der Sommer zurück. Der kleine Trug taucht den Abend in warmes Licht. Spaziergänger grüßen herüber. Ein Fischerboot läuft in den Hafen ein.

Wenn jetzt eine Sirene aufheulte. Unverständnis läse man in den Gesichtern. Sie blickten sich ratlos um. Der Fischer drosselte den Motor. Seine Augen suchten den Himmel ab, bis das Heulen wieder abschwellen würde. Ein eigentümlicher Nachhall läge überm See. Ein Irrtum? Die Menschen nähmen ihre Tätigkeiten wieder auf. Dann flatterte ein Vogelschwarm auf und die Raketen schlügen ein. Drei, vier vielleicht. Hüllten alles in Feuer und Rauch, zerfetzten in ohrenbetäubendem Krach die Szenerie. Dann wäre es wieder still.

Was für ein Unsinn? Ja, doch, bei uns schon. Und doch muss man sich manchmal so eine Szene vergegenwärtigen, um gegen die Selbstverständlichkeit anzukämpfen, mit der das kriegerische Morden wieder heimisch geworden ist in den Schlagzeilen. Jetzt hat der Fischer sein Boot vertäut. Er wuchtet einen Kübel ans Land und lacht herüber. „Guter Fang“, scheinen seine Augen zu sagen, und „was für ein wunderbarer Abend!“

Thomas Matt

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