Ökonomen vermissen strukturelle Akzente im Budget

Aus dem Budget lasse sich nicht ablesen, dass es eine Investition in die Zukunft ist.
Wien „Ich kann mich an kein Jahr erinnern, in dem die Umstände für die Erstellung eines Budgets so schwierig waren“, sagt Ökonomin Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo den VN. Die gesamtwirtschaftliche Situation werde sich auch kommendes Jahr noch verschlechtern, sagt die Expertin. Dennoch will Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) mit dem Budget 2023, abgesehen von der Krisenbewältigung in die Zukunft investieren, betonte er im Rahmen seiner Budgetrede im Nationalrat. Experten vermissen jedoch große strukturelle Maßnahmen.
Ein zukunftsgewandter Akzent ist die Investition in eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft. „Der Klimaschutz findet schon seine Berücksichtigung. Allerdings haben wir einige kontraproduktive Hilfsmaßnahmen, wie etwa die temporäre Senkung von Energie- und Erdgasabgabe oder die recht großzügige Ausdehnung der Pendlerpauschale“, sagt Schratzenstaller.
Mehr Geld für Bildung notwendig
Strukturreformen seien angesichts der multiplen Krisen teilweise in den Hintergrund gerückt. Es gibt zwar keine Bereiche, wo weniger Geld als in den Vorjahren ausgegeben wird, so Schratzenstaller. „Was aber schon fehlt, sind Investitionen in Zukunftsbereiche, wo klar ist, dass sie sehr wichtig für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und Prosperität unseres Landes sind. Dazu zählt die Bildung. Es gibt Erhöhungen, aber diese sind relativ überschaubar und werden vielleicht gerade einmal den Personalaufwand abdecken.“ Hier scheint es so, als würde nur das Notwendigste getan. Es sei dringend notwendig, von den Schulden herunterzukommen, denn diese schränkten die budgetären Spielräume ein. Schratzenstaller nennt in diesem Zusammenhang einen „ineffizienten Föderalismus“, das Förderwesen und das Pensionssystem. Das faktische Antrittsalter müsse hier angehoben werden.
Auch was aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft, sieht Schratzenstaller Änderungsbedarf. Zwar werde es eine relativ robuste Entwicklung am Arbeitsmarkt geben und die Arbeitslosenquote nur um 0,3 Prozent im kommenden Jahr steigen. „Aber für die Qualifizierung müsse mehr getan werden“, sagt die Ökonomin. „Stichwort Facharbeitermangel. Wir haben die Erfordernis, gerade grüne und digitale Qualifikationen auszubauen.“ Auch die Integration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt müsse künftig reibungsloser funktionieren – gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung. Das Erwerbspotenzial von Frauen sei zudem noch nicht gut ausgeschöpft. Insgesamt 200 Millionen Euro pro Jahr werden in die Kinderbetreuung gesteckt. „Aber das wird nicht reichen, wir müssen mehr in die Qualität und Quantität der Kinderbetreuung investieren“, sagt Schratzenstaller.
„Klare Verlierer sind der Steuerzahler und die kommenden Generationen, die das finanzieren müssen“, sagt Hanno Lorenz, stellvertretender Direktor der Agenda Austria den VN. In den kommenden fünf Jahren gebe es trotz der hohen Einnahmen durch die Inflation einen Ausgabenrekord. Auch das wachsende Pensionsloch treibe die Staatsschulden nach oben, sagt er: „Für die Jahre 2022 bis 2026 müssen über 140 Milliarden Euro aus dem Budget zugeschossen werden. Bereits jetzt muss knapp jeder vierte Budgeteuro dafür aufgewendet werden.“ Auch im kommenden Jahr werde wieder mehr Geld für die Ruhegehälter ehemaliger Beamter ausgegeben als der Bund über die Bildung in die Zukunft der Kinder investiert.
Schulden steigen
Das Maastricht-Defizit wird kommendes Jahr bei 2,9 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen und soll bis 2026 auf 1,6 Prozent sinken. Die Schulden steigen auf 367 Mrd. Euro, der Anteil am Bruttoinlandsprodukt sinkt aber leicht von 78,3 auf 76,7 Prozent. Bemerkenswert sind die explodierenden Zinszahlungen, diese verdoppeln sich von 4,3 auf fast neun Mrd. Euro im Jahr 2023.
Bis 2026 ergeben sich Mehrkosten beim Zinsdienst von beachtlichen elf Mrd. Euro. Das ist doppelt so viel wie in die Sicherheit oder in die ökologische Transformation der Industrie investiert wird. Die Schuldenquote sinkt zwar gemessen am BIP bis 2026 auf 72,5 Prozent, in absoluten Zahlen wächst aber der Schuldenberg auf fast 400 Mrd. Euro. VN-JUS
