Floriani-Prinzip
Dem Innenministerium und der Bundesbetreuungsagentur ist mit der öffentlichkeitswirksamen Ankündigung, Asylwerber:innen in Zelten unterzubringen, weil die Länder zu wenige Geflüchtete in ihre Versorgung übernehmen, ein besonderer Coup gelungen.
Zwar würden zahlreiche Einrichtungen des Bundes für die Betreuung von Asylwerber:innen zur Verfügung stehen, aber jede Gemeinde macht Schwierigkeiten, wenn auf ihrem Territorium eine größere Zahl von Geflüchteten Aufnahme finden soll. Es gilt das Floriani-Prinzip. Da erweist sich die Drohung mit dem Aufstellen von Zelten viel wirksamer als mühselige Verhandlungen mit Bürgermeister:innen. Denn niemand in Österreich will Zeltstädte. Sie erwecken den Eindruck eines Kontrollverlustes des Staates und sind denkbar ungeeignet, um in einem durchschnittlichen Winter den Insassen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Das intendierte Ziel der PR-Aktion wurde auch erreicht: Vergessen sind die gelungenen Anstrengungen von Ländern und Gemeinden, Tausenden Flüchtlingen aus der Ukraine, zumeist Frauen mit ihren Kindern, ein Leben in Sicherheit zu ermöglichen und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Die Länder werden wieder als jene gebrandmarkt, die unwillig und nicht in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Dass es gerade in den westlichen Bundesländern so gut wie unmöglich ist, auf dem Wohnungsmarkt noch freie Unterkünfte zu bekommen, interessiert in Wien offenbar niemanden.
Immerhin scheint es in Vorarlberg gelungen zu sein, noch ein paar Wohnungen aufzutreiben, aber wie lange wird der Bund mit dem Aufstellen von Zelten noch zuwarten? Es gibt keine Anzeichen, dass in der Ukraine in nächster Zeit Frieden herrschen wird. Und den Staaten wie Serbien, die Visa an Menschen aus Indien vergeben, um damit vorgeblich eigenen Arbeitskräftemangel zu beheben, in Wahrheit aber wohl, um Europa zu destabilisieren, wurde noch nicht das Handwerk gelegt. Diese Personen haben keine Chance auf Asyl, dürfen aber solange das langwierige und missbrauchsanfällige Verfahren nicht abgeschlossen ist, in Österreich bleiben.
Das Floriani-Prinzip herrscht nicht nur unter Gemeinden und Ländern, sondern auch auf europäischer Ebene, wo Österreich bis jetzt kläglich im Stich gelassen wird. Auch dort wird mehr oder weniger fromm gebetet: „Heiliger St. Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and’re an.“
„Das Floriani-Prinzip herrscht nicht nur unter Gemeinden und Ländern, sondern auch auf europäischer Ebene.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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