Moral und Staatsdienst
Die Aussagen von Thomas Schmid, dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, zeichnen ein erschütterndes Bild der Finanzverwaltung. Superreiche Unternehmer verhandeln demnach erfolgreich mit den Behörden um steuerliche Vorteile und versprechen im Gegenzug dem Generalsekretär einen bestens dotierten Job. Ein Finanzminister wittert die Chance, in einem Unternehmen einen Abnehmer für die Erzeugnisse des familiären Weinguts zu finden. Ein Politiker macht sich für einen Parteifreund für die Besetzung einer Leitungsfunktion in der Finanzverwaltung stark.
In der öffentlichen Diskussion wird der Eindruck erweckt, als hinge das Schicksal der Republik davon ab, möglichst bald schärfere „Anti-Korruptionsgesetze“ zu beschließen. Mag sein, dass die eine oder andere Verschärfung der Rechtslage sinnvoll wäre. Was nützen jedoch die strengsten Regelungen, wenn sie nicht eingehalten werden? Die Tathandlungen, die Thomas Schmid gestanden hat, sind schon längst unter Strafe gestellt und es bedürfte eigentlich keiner neuen Sanktionen. Selbstverständlich war es schon bisher der Verwaltung verboten, bestimmte Steuerpflichtige zu bevorzugen. Genauso selbstverständlich durften Minister keine privaten Vorteile aus ihren amtlichen Kontakten ziehen und öffentlich Bedienstete mussten jedes Jobangebot ihrer Kunden zurückweisen, wenn damit behördliches Wohlverhalten verknüpft war.
Das „Geständnis“ von Thomas Schmid offenbart vielmehr, ganz unabhängig von möglichen strafrechtlichen Konsequenzen, den völligen Verlust von jeglichen moralischen Ansprüchen, und das ausgerechnet in der Führung eines Ministeriums. Der Karrierist Thomas Schmid dürfte keineswegs der Einzige gewesen sein, für den der persönliche Vorteil mehr zählte als das Gesetz. Wie will man von einer Verwaltung Rechtstreue erwarten, wenn sie keine Moral kennt? Wenn es führenden Amtsträgern an ethischer Gesinnung mangelt, helfen auch schärfere Anti-Korruptionsgesetze vermutlich wenig.
„Der Karrierist Thomas Schmid dürfte keineswegs der Einzige gewesen sein, für den der persönliche Vorteil mehr zählte als das Gesetz.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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