Ein Staatsakt für die zweite Angelobung

Für weitere sechs Jahre heißt der Bundespräsident Van der Bellen.
Wien Vor sechs Jahren wurde er auf dem Weg durch den Volksgarten noch von tausenden Menschen bejubelt. Nun herrscht fast gähnende Leere am Wiener Heldenplatz, als Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Weg zum äußeren Burgtor entlangschreitet. Flankiert von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) begrüßt er einige Herrschaften auf dem Weg zu seiner zweiten Ansprache des Tages. Eine Ehrenformation des Bundesheers empfängt den wiedergewählten Oberbefehlshaber. Zuvor wurde Van der Bellen vor der Bundesversammlung im Parlament für seine zweite Amtszeit angelobt – bei einer Veranstaltung, die nicht ohne kleine Pannen auskam.
Schnaps für das Staatsoberhaupt
Da war etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der sich nach seiner Ansprache nicht an das Programm hielt und vergaß, eine musikalische Einlage anzukündigen. Da war der Bundespräsident selbst, der beim Verlesen seines Amtseides kurz ins Stocken geriet. Irgendwo schrie währenddessen ein Baby. Und der Hinweis Van der Bellens, ein geeintes Europa zu stärken, stieß auch nicht ausreichend auf Gehör. Sobotka schloss die Sitzung, noch bevor die Europahymne gespielt werden konnte – wieder im Widerspruch zum Programmheft. Beim Empfang des Landes Tirols verlief hingegen alles nach Plan: inklusive Begrüßungsschnaps für das Staatsoberhaupt.
Besonders sorgte aber das Verhalten der Freiheitlichen Partei für Aufregung, die dem Bundespräsidenten nach seiner Angelobung nur kurz und später praktisch keinen Applaus spendete. Selbst als Alexander Van der Bellen die Verbrechen des Holocausts verurteilte, klatschten der FPÖ-Klub und der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer nicht. Das war wohl unter anderem einem Interview des Präsidenten geschuldet, in dem er die Angelobung eines FPÖ-Kanzlers zumindest in Zweifel zog.
In seiner Ansprache betonte Van der Bellen, dass der Grundkonsens der Republik für ihn außer Frage stehe und man antidemokratische Tendenzen entschlossen stoppen müsse. Einmal mehr stellte Van der Bellen die von ihm bekannten Themen Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit in den Vordergrund, machte aber auch klar, dass aus seiner Sicht nicht alles so bleiben könne, wie es ist. „Wir werden unseren gewohnten Alltag verändern müssen. Denn sonst laufen wir Gefahr, unsere Zukunft abzuschaffen“, sagte er. Noch mehr könne geschafft werden, „wenn wir unsere Demokratie hochhalten und verteidigen“. Deren zentralster Baustein sei die gemeinsame Lösung, der Kompromiss.
Der mittlerweile 79-jährige Van der Bellen hatte sich bei der Wahl am 17. Oktober des Vorjahres bereits in der ersten Runde mit 56,7 Prozent der Stimmen durchgesetzt. Er wurde damit für weitere sechs Jahre in die Hofburg gewählt. Dort empfing er nach den militärischen Ehren die Bundesregierung, die ihm – traditionellerweise – den Rücktritt anbot. Van der Bellen lehnte ab.
Weiter genaues Hinschauen
Die Politologin Katrin Praprotnik erwartet sich nicht, dass Van der Bellen seine zweite Amtszeit anders anlegt. „Er wird den Stil des traditionell gelebten Rollenverzichts fortführen“, sagt die Expertin der Universität Graz den VN. Sie sei aber überrascht davon gewesen, wie deutlich Van der Bellen vergangenes Jahr den Zustand der Demokratie angesprochen hatte: „Das ist ein Bereich, wo er genau hinschauen wird, aber eher hinter der Tapetentür“, so Praprotnik.
Zur Nagelprobe werde aber, wie er sich nach der anstehenden Nationalratswahl 2024 verhalten wird. Er könne nämlich wahrscheinlich kaum verhindern, dass eine FPÖ – mit einer Mehrheit ausgestattet – wieder in Regierungsverantwortung kommt: „Er könnte vielleicht einen ähnlichen Weg gehen wie Thomas Klestil 2000, der die Angelobung mit steinerner Miene durchzog.“ Auch könnte er eine proeuropäische Präambel zum Regierungsprogramm verlangen. Er müsse sich prinzipiell aber nach gewählten Mehrheiten richten. MAX
„Er wird den Stil des traditionell gelebten Rollenverzichts fortführen.“
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