Ein Mann wie das Land und ein überzeugter Europäer

Vorarlberg / 29.01.2023 • 19:07 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
2018 erschien ein Buch über Purtschers bewegtes Leben.
2018 erschien ein Buch über Purtschers bewegtes Leben.

Altlandeshauptmann Martin Purtscher im 95. Lebensjahr verstorben.

Thüringen, Bregenz Er hat das Land entscheidend mitgeprägt und landespolitisch Geschichte geschrieben. Martin Purtscher, Vorarlbergs Landeshauptmann von 1987 bis 1997, ist in der Nacht zum Samstag im 95. Lebensjahr verstorben.

Die Ära Martin Purtscher umfasste zahlreiche Weichenstellungen, die sich bis heute positiv auf den Wirtschaftsstandort und die Lebensqualität in Vorarlberg auswirken. Eine maßgebliche Errungenschaft war etwa die Sicherung der Gründerrechte des Landes Vorarlberg an den Vorarlberger Illwerken sowie der Erwerb der Aktienmehrheit am Unternehmen.

In seiner Würdigung des Verstorbenen bekräftigt Landeshauptmann Markus Wallner am Wochenende: „Das war ein äußerst wichtiger Schritt für Vorarlbergs energiepolitische Eigenständigkeit und ist noch heute die Grundlage dafür, dass wir mit Nachdruck das Ziel der Energieautonomie 2050 ernsthaft verfolgen können“.

Seine Erfahrung als Manager in der Privatwirtschaft übersetzte Martin Purtscher als aktiver Landespolitiker in eine erfolgreiche Standortpolitik. In der Gesundheits- und Sozialpolitik wurde mit dem Familienzuschuss, dem Pflegezuschuss und einer leistungsorientierten Spitalsfinanzierung ein zukunftsweisender Weg beschritten. Purtscher handelte in vorausschauender Weitsicht und kreativer Gestaltungskraft immer nach der Devise: „Mit Herz und Verstand für unser Land.“ Als Landeshauptmann von staatsmännischem Format richtete Martin Purtscher seinen Blick über die Landesgrenzen Vorarlbergs hinaus. Der europäische Einigungsprozess war ihm seit jeher eine Herzensangelegenheit und so war er als Vorsitzender der ÖVP-Europakommission federführend an den österreichischen EU-Beitrittsverhandlungen beteiligt. Sein Engagement als Präsident der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer ARGE ALP (1988/1989), als Vorsitzender der Internationalen Bodenseekonferenz IBK (1989/1990) und als Vorstandsmitglied der Versammlung der Regionen Europas AdR war darüber hinaus Ausdruck seines Eintretens für grenzüberschreitende, regionale Zusammenarbeit.

Doktor der Rechte

Martin Purtscher stammte aus einfachen Verhältnissen, aus einer großen Bauernfamilie. Nach Volks- und Handelsschule war der erst 16-Jährige zum Kriegsdienst nach Italien eingezogen worden. Die Handelsakademie in Bregenz-Mehrerau absolvierte er nach dem Krieg, anschließend studierte er als Werkstudent an der Universität Innsbruck, wo er 1953 zum Doktor der Rechte promovierte. Das Studium finanzierte er sich als Buchhalter bei der Firma Lorünser-Leichtmetallwerke in Schlins, deren kaufmännischer Direktor er nach Studienabschluss wurde. 1965 trat er bei der Suchard-Schokoladen-GmbH in Bludenz ein, übernahm 1966 die Geschäftsführung, baute das Unternehmen durch Erwerb von Mirabell (Grödig bei Salzburg, 1975) und Bensdorp (Tulln, 1985) aus und wurde 1984 – bis zur Bestellung zum Landeshauptmann – zum Generaldirektor der Jacobs-Suchard-Gruppe Österreich bestellt. Purtscher war seit 1954 mit seiner Frau Gretl verheiratet und Vater dreier Töchter. Aus Anlass seines 90. Geburtstags erschien das vom Historiker Karl-Heinz Lauda herausgegebene Buch „Martin Purtscher – Ein politisches Leben für Vorarlberg und Europa“.

Seine politische Tätigkeit begann Martin Purtscher 1955 in der Gemeindevertretung seiner Heimatgemeinde Thüringen. 1964 wurde er dann in den Vorarlberger Landtag gewählt, 1974 folgte er Karl Tizian als Landtagspräsident nach. Im Juli 1987 übernahm er als Nachfolger Herbert Keßlers das Amt des Landeshauptmanns. Bei seiner Antrittsrede erklärte Martin Purtscher: „Politik ist für mich stetes Suchen, Hoffen, Werten, Finden, Verbessern, Lernen, eine ewige Unruhe und eine ewige Unvollkommenheit.“ Im April 1997 zog er sich nach zehnjähriger Amtszeit zugunsten von Herbert Sausgruber zurück. „Einiges ist mir nicht so gelungen, wie ich es erhofft habe. Und doch habe ich mehr erreicht, als ich mir eigentlich erwarten durfte. Und dafür bin ich dankbar“, resümierte Martin Purtscher nach seinem Rücktritt. Der überzeugte Christdemokrat sah es stets als Verpflichtung an, sich in den Dienst seiner Heimat und seiner Mitbürger zu stellen. Über mehrere Jahre brachte er zudem seinen breiten Erfahrungsschatz und seine Managerfähigkeiten als Aufsichtsratsvorsitzender in die beiden Energieunternehmen Vorarlberger Illwerke AG (VIW) und Vorarlberger Kraftwerke AG (VKW) ein.

Europa, Illwerke, Fachhochschule

Höhepunkte seiner politischen Laufbahn waren neben dem EU-Beitritt Österreichs auch – speziell aus Vorarlberger Sicht – die erfolgreichen Bemühungen um die Vorarlberger Illwerke. Nach zähen Verhandlungen gelang dem Land der vorzeitige Rückkauf der Aktienmehrheit vom Bund. Aber auch die Gründung des „Technikum Vorarlberg“ – der heutigen Fachhochschule in Dornbirn – fiel in Martin Purtschers Amtszeit, ebenso kam in seiner Zeit als Landeshauptmann 1990 mit der späteren Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer erstmals eine Frau in die Landesregierung. Zwei Mal verteidigte er bei Landtagswahlen als Spitzenkandidat der ÖVP die absolute Mehrheit (1989 und 1994).

Zahlreiche österreichische und internationale Auszeichnungen und Ehrungen würdigten die vielschichtigen Verdienste Martin Purtschers, so etwa das Goldene Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg (1974), das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark (1995), der Bayerische Verdienstorden (1995), das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland (1996), das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich (1997), das Großkreuz des Ritterordens des Heiligen Gregor des Großen (1997), das Komturkreuz mit Stern des Fürstentums Liechtenstein (1998), das Große Ehrenzeichen des Landes Salzburg (1998), der Ehrenring der Gemeinde Thüringen (2000).Zudem war Purtscher seit 2003 Ehrensenator der Universität Innsbruck und Ehrensenator der Europäischen Wirtschaftskammer.

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