Ein Mann wie das Land und ein überzeugter Europäer

Vorarlberg / 29.01.2023 • 18:45 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
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VN-Archiv, Vorarlberger Landesbibliothek

Altlandeshauptmann Martin Purtscher im 95. Lebensjahr verstorben.

Thüringen, Bregenz Er hat das Land entscheidend mitgeprägt und landespolitisch Geschichte geschrieben. Martin Purtscher, Vorarlbergs Landeshauptmann von 1987 bis 1997, ist in der Nacht zum Samstag im 95. Lebensjahr verstorben.

Ein Mann wie das Land und ein überzeugter Europäer
Bauernfamilie. Martin Purtscher (2. v. l.) wurde als Sohn der Bauernfamilie Martin und Barbara Purtscher am 12. November 1928 in Thüringen geboren. Gemeinsam mit sechs Geschwistern verbrachte Purtscher seine Kindheit in der Walgau­gemeinde.

Die Ära Martin Purtscher umfasste zahlreiche Weichenstellungen, die sich bis heute positiv auf den Wirtschaftsstandort und die Lebensqualität in Vorarlberg auswirken. Eine maßgebliche Errungenschaft war etwa die Sicherung der Gründerrechte des Landes Vorarlberg an den Vorarlberger Illwerken sowie der Erwerb der Aktienmehrheit am Unternehmen.

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Nach dem Besuch der Volksschule in der Heimatgemeinde absolvierte Purtscher zwischen 1942 und 1945 die Handelsschule in Feldkirch. Im Juli 1944 wurde er bis Mai 1945 in den Wehrdienst zum Stellungsbau nach Italien eingezogen. Nach der Rückkehr entwickelte Purtscher Ehrgeiz in Sachen Bildung: Er besucht die Handelsakademie in Bregenz und legte dort 1948 die Matura ab.

In seiner Würdigung des Verstorbenen bekräftigt Landeshauptmann Markus Wallner am Wochenende: „Das war ein äußerst wichtiger Schritt für Vorarlbergs energiepolitische Eigenständigkeit und ist noch heute die Grundlage dafür, dass wir mit Nachdruck das Ziel der Energieautonomie 2050 ernsthaft verfolgen können“.

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Karrierebewusst. Bereits unmittelbar nach seinem Schulabschluss, im Alter von 25 Jahren, fungierte Purtscher zunächst als Prokurist und wenig später als Geschäftsführer der Leichtmetallwerke in Lorüns. Daneben begann der Karrierebewusste als Werkstudent ein Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck.

Seine Erfahrung als Manager in der Privatwirtschaft übersetzte Martin Purtscher als aktiver Landespolitiker in eine erfolgreiche Standortpolitik. Aber auch in der Gesundheits- und Sozialpolitik wurde mit dem Familienzuschuss, dem Pflegezuschuss und einer leistungsorientierten Spitalsfinanzierung ein zukunftsweisender Weg beschritten. Purtscher handelte in vorausschauender Weitsicht und kreativer Gestaltungskraft immer nach der Devise: „Mit Herz und Verstand für unser Land.“

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Liebe des Lebens. Nach der Promotion zum Doktor der Rechte (1953) an der Universität Innsbruck stand die Familienplanung auf dem Programm: Purtscher fand in Gretl Hübner die Liebe seines Lebens. Am 9. September 1954 standen die beiden vor dem Traualtar. Neben seinem beruflichen Engagement legte Purtscher den Grundstein für seine Karriere als Politiker: Im Sommer 1955 wurde er in die Gemeindevertretung von Thüringen gewählt.

Als Landeshauptmann von staatsmännischem Format richtete Martin Purtscher seinen Blick über die Landesgrenzen Vorarlbergs hinaus. Der europäische Einigungsprozess war ihm seit jeher eine Herzensangelegenheit und so war er als Vorsitzender der ÖVP-Europakommission federführend an den österreichischen EU-Beitrittsverhandlungen beteiligt.

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Stolzer Vater. Freude und Stolz bei der Familie Purtscher: 1958 erblickt Sabine als erste von drei Töchtern das Licht der Welt. Sechs Jahre später wurde Purtscher als Abgeordneter in den Landtag gewählt. Auch beruflich ging es bergauf: 1965 wurde der Thüringer Geschäftsführer bei Suchard in Bludenz.

Sein Engagement als Präsident der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer ARGE ALP (1988/1989), als Vorsitzender der Internationalen Bodenseekonferenz IBK (1989/1990) und als Vorstandsmitglied der Versammlung der Regionen Europas AdR war darüber hinaus Ausdruck seines Eintretens für grenzüberschreitende, regionale Zusammenarbeit.

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Präsident. Nach langer Tätigkeit als Volksvertreter im Landtag stieg Purtscher die politische Karriereleiter weiter empor: 1974 übernahm er im Landtag die Funktion des Landtagspräsidenten und beerbte 1987 Dr. Herbert Keßler (im Vordergrund) als Vorarlberger Landeshauptmann.
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Martin Purtscher stammte aus einfachen Verhältnissen, aus einer großen Bauernfamilie. Nach Volks- und Handelsschule war der erst 16-Jährige zum Kriegsdienst nach Italien eingezogen worden. Die Handelsakademie in Bregenz-Mehrerau absolvierte er nach dem Krieg, anschließend studierte er als Werkstudent an der Universität Innsbruck, wo er 1953 zum Doktor der Rechte promovierte.

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Bildung von EU-Kommission als Meilenstein. Eine gewichtige Funktion hatte Purtscher im Vorfeld des Beitritts von Österreich zur Europäischen Union (EU) übernommen: Er hob eine EU-Kommission aus der Taufe und forderte gemeinsam mit ÖVP-Parteichef Alois Mock im Mai 1988 den Beitritts Österreichs zur EU.

Das Studium finanzierte er sich als Buchhalter bei der Firma Lorünser-Leichtmetallwerke in Schlins, deren kaufmännischer Direktor er nach Studienabschluss wurde. 1965 trat er bei der Suchard-Schokoladen-GmbH in Bludenz ein, übernahm 1966 die Geschäftsführung, baute das Unternehmen durch Erwerb von Mirabell (Grödig bei Salzburg, 1975) und Bensdorp (Tulln, 1985) aus und wurde 1984 – bis zur Bestellung zum Landeshauptmann – zum Generaldirektor der Jacobs-Suchard-Gruppe Österreich bestellt.

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Gipfelstürmer in den Alpen. Neben seinen unterschiedlichsten Ämtern in der Politik machte der Vorarlberger Landeshauptmann auch als Gipfelstürmer eine gute Figur: Hier im Bild gratulierte Heinrich Sandrell als damaliger Bürgermeister von Gaschurn Purtscher zum „Gipfelsieg“ am Piz Buin.

Purtscher war seit 1954 mit seiner Frau Gretl verheiratet und Vater dreier Töchter. Aus Anlass seines 90. Geburtstags erschien das vom Historiker Karl-Heinz Lauda herausgegebene Buch „Martin Purtscher – Ein politisches Leben für Vorarlberg und Europa“.

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Heiliger Vater als Gastgeber im Vatikan. Seine Funktion als oberster Vertreter des Landes führte Purtscher auch in den Vatikan. Am 14. Dezember 1991 erhielt er eine Audienz bei Papst Johannes Paul II. Mit im Gefolge befanden sich auch der damalige Diözesanbischof Klaus Küng und Generalvikar Elmar Fischer.

Seine politische Tätigkeit begann Martin Purtscher 1955 in der Gemeindevertretung seiner Heimatgemeinde Thüringen. 1964 wurde er dann in den Vorarlberger Landtag gewählt, 1974 folgte er Karl Tizian als Landtagspräsident nach. Im Juli 1987 übernahm er als Nachfolger Herbert Keßlers das Amt des Landeshauptmanns.

Ein Mann wie das Land und ein überzeugter Europäer
Gewiefter Verhandler. Als langwierig entpuppten sich die sieben Jahre langen Gespräche zur Sicherung von 75 Prozent der Aktien an den Vorarlberger Illwerken. Damit konnten Enscheidungen über den Ausbau und die Zukunft der Elektrizitätsgewinnung ohne Zustimmung des Landes verhindert werden. Purtscher entpuppte sich dabei als gewiefter Verhandler, am 9. November 1995 wurde ein Vertrag mit dem damaligen Finanzminister Andreas Staribacher unterzeichnet.
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Bei seiner Antrittsrede erklärte Martin Purtscher: „Politik ist für mich stetes Suchen, Hoffen, Werten, Finden, Verbessern, Lernen, eine ewige Unruhe und eine ewige Unvollkommenheit.“ Im April 1997 zog er sich nach zehnjährigen Amtszeit zugunsten von Herbert Sausgruber zurück. „Einiges ist mir nicht so gelungen, wie ich es erhofft habe.“

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Bildungsoffensive. Ganz besonders stolz war Purtscher auf die 1989 erfolgte Gründung des Vereins „Technikum Vorarlberg“ in Dornbirn. Die Messestadt wurde damit quasi zur Wiege des österreichischen Fachhochschulwesens, was auch der damalige Wissenschaftsminister Erhard Busek bei einem Besuch zu würdigen wusste. 1994 erfolgte die Umbenennung des Technikums in „Fachhochschul- Studiengänge Vorarlberg“.

Und doch habe ich mehr erreicht, als ich mir eigentlich erwarten durfte. Und dafür bin ich dankbar“, resümierte Martin Purtscher nach seinem Rücktritt. Der überzeugte Christdemokrat sah es stets als Verpflichtung an, sich in den Dienst seiner Heimat und seiner Mitbürger zu stellen.

Familienmensch. Seit seinem Rückzug von der politischen Bühne vor rund 26 Jahren verbrachte der Altlandeshauptmann gemeinsam mit seiner Frau Gretl viel Zeit im Kreise seiner drei Töchter Carola (l.) sowie Sabine und Vera.
Familienmensch. Seit seinem Rückzug von der politischen Bühne vor rund 26 Jahren verbrachte der Altlandeshauptmann gemeinsam mit seiner Frau Gretl viel Zeit im Kreise seiner drei Töchter Carola (l.) sowie Sabine und Vera.

Über mehrere Jahre brachte er zudem seinen breiten Erfahrungsschatz und seine Managerfähigkeiten als Aufsichtsratsvorsitzender in die beiden Energieunternehmen Vorarlberger Illwerke AG (VIW) und Vorarlberger Kraftwerke AG (VKW) ein.

Stolzer Großvater. Ein besonders herzhaftes Verhältnis verband Purtscher mit den sechs Kindern seiner Töchter. Als besonderer Höhepunkt galten gemeinsame Stunden zum Weihnachtsfest, welchey die Purtschers alljährlich in ihrem Haus in Stuben am Arlberg verbringen.
Stolzer Großvater. Ein besonders herzhaftes Verhältnis verband Purtscher mit den sechs Kindern seiner Töchter. Als besonderer Höhepunkt galten gemeinsame Stunden zum Weihnachtsfest, welchey die Purtschers alljährlich in ihrem Haus in Stuben am Arlberg verbringen.

Höhepunkte seiner politischen Laufbahn waren neben dem EU-Beitritt Österreichs auch – speziell aus Vorarlberger Sicht – die erfolgreichen Bemühungen um die Vorarlberger Illwerke. Nach zähen Verhandlungen gelang dem Land der vorzeitige Rückkauf der Aktienmehrheit vom Bund.

2014: Markus Wallner, Herbert Sausgruber und Martin Purtscher.
2014: Markus Wallner, Herbert Sausgruber und Martin Purtscher.

Aber auch die Gründung des „Technikum Vorarlberg“ – der heutigen Fachhochschule in Dornbirn – fiel in Martin Purtschers Amtszeit, ebenso kam in seiner Zeit als Landeshauptmann 1990 mit der späteren Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer erstmals eine Frau in die Landesregierung. Zwei Mal verteidigte er bei Landtagswahlen als Spitzenkandidat der ÖVP die absolute Mehrheit (1989 und 1994).

Martin Purtscher lenkte Vorarlberg durch eine Zeit voller Umbrüche.
Martin Purtscher lenkte Vorarlberg durch eine Zeit voller Umbrüche.

Zahlreiche österreichische und internationale Auszeichnungen und Ehrungen würdigten die vielschichtigen Verdienste Martins Purtschers, so etwa das Goldene Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg (1974), das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark (1995), der Bayerische Verdienstorden (1995), das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland (1996), das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich (1997), das Großkreuz des Ritterordens des Heiligen Gregor des Großen (1997), das Komturkreuz mit Stern des Fürstentums Liechtenstein (1998), das Große Ehrenzeichen des Landes Salzburg (1998), der Ehrenring der Gemeinde Thüringen (2000). Zudem war Purtscher seit 2003 Ehrensenator der Universität Innsbruck und Ehrensenator der Europäischen Wirtschaftskammer.

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