Rheindurchstich mit weitreichenden Folgen

Neujahrsempfang mit Fokus auf Fußacher Vergangenheit
und Pläne für die Zukunft der Gemeinde.
Fußach Volles Haus in der „Alten Stickerei“ in Fußach. Bürgermeister Peter Böhler begrüßte unter den zahlreichen Gästen Heidi, Heinz und Paul Senger-Weiss, Historikerin Gerda Leipold. Der erste Neujahrsempfang nach Corona war geprägt von großem Interesse der Besucherinnen und Besucher, die sich im Anschluss an das offizielle Programm am Buffet der „Begeisterei“ von Cateringprofi Veronika Hinteregger stärkten und die musikalische Umrahmung durch das Duo Torres-Delis genossen. Zuvor wurde ein spannender und detaillierter Blick in Fußachs Geschichte geworfen.

Bis auf den letzten Stuhl war der Raum besetzt, als Augustin Jagg aus einem Essay zum Rheindurchstich im Jahr 1900 und dessen Folgen für die Gemeinde Fußach las. Der Text war von Gerald Mathis mit Unterstützung des Dorfgeschichtevereins Fußach verfasst worden. Viele Zuhörer erfuhren an diesem Abend zum ersten Mal, welche historischen Entscheidungen Fußach und seine Entwicklung nachhaltig beeinflusst haben: Gegen die realisierte Durchstich-Variante bei Fußach hatten sich die Gemeinde Fußach und das Land Vorarlberg jahrzehntelang erfolglos gewehrt. Der Durchstich wurde unter politischem Druck aus Bern und Wien entschieden, auch um die Mitfinanzierung durch die Schweiz sicherzustellen. Die Bauernopfer waren Fußach und Hard. Während Hard mit der umfassenden Sanierung der Bucht Wiedergutmachung erfuhr, blieb diese für Fußach bis heute aus.
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Vor dem Durchstich wurde die drohende Verlandung der Hard-Fußacher Bucht diskutiert. Österreichische Sachverständige berechneten die Dauer bis zur Verlandung der Bucht mit 50 bis 80 Jahren, die Schweizer Ingenieure kamen auf sagenhafte 4800 Jahre. Bereits in den 1920er-Jahren zeigte sich das Ausmaß der Anschwemmungen und dass die Österreicher recht behielten. Es drohte die gesamte Verlandung der Hard-Fußacher Bucht in kurzer Zeit. Besonders fatal ist, dass das angeschwemmte Land und das neue Seeufer nicht der Gemeinde, sondern der Republik Österreich zugesprochen wurden. Das alte Ufer gehörte den Fußachern, das neue, nach außen durch den Rhein verlandete Ufer ist im Besitz der Republik. Selbst das von der Gemeinde betriebene, 350 Meter lange Hörnlebad gehört dem Bund und nicht der Gemeinde.

Fußach lebte über Jahrhunderte vom Handel und der Schifffahrt. Die einstige Lebensader der Fußacher, die durch das Dorf mäandrierende, bis ins Zentrum der Gemeinde schiffbare alte Fußach oder Dornbirner Ache wurde mit dem Rheindurchstich zerstört, und mit ihr eine einzigartige Natur-, Au- und Wasserlandschaft. Die nun mit Unterstützung des Landes durchgeführte Planung zur Renaturierung soll den Ort mit einer durchgehenden Grünachse und kleinem Fließgewässer ökologisch aufwerten und als Natur- und Freizeitraum für die Bevölkerung entwickelt werden. Mit dem Rheindurchstich wurde auch die alte 480 Meter lange Steede, die Fußach seit Jahrhunderten als Seehafen diente, zerstört.

Ebenso sind mit dem Rheindurchstich die Brunnen in Fußach versiegt – Fußach musste sieben Jahre das Wasser mit Fässern von Hard holen. Gerald Mathis schreibt abschließend: „Es wird Zeit, dass sich die Fußacher Bevölkerung selbst an ihre Geschichte erinnert. Geschichte ist nicht nur von historischem Interesse, sie bestimmt unsere Gegenwart und unsere Gegenwart die Zukunft.“ afp



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