Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Machtergreifung

Vorarlberg / 02.02.2023 • 19:18 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Aus Anlass des 90. Gedenktages der Machtergreifung der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler am 30. Jänner 1933 sind in den letzten Wochen zahlreiche Publikationen, Berichte und Kommentare erschienen, welche die schicksalhaften letzten Tage der Demokratie in der Weimarer Republik beleuchteten. Ein Aspekt kam selten zur Sprache, weil er nach außen zu den weniger spektakulären Ereignissen auf dem Weg zur totalitären Herrschaft zählte: Der Föderalismus der Weimarer Republik war den Nazis stets ein Gräuel. Für die Wahlen in die Landtage bewarben sie sich zwar, aber natürlich wie auf Reichsebene nur mit dem Ziel, die Demokratie zu zerstören.

Als Hitler im Jänner 1933 an die Macht kam, hatte ihm die rechtsgerichtete Regierung seines Vorgängers Reichskanzler Franz von Papen gemeinsam mit dem greisen Reichspräsidenten Hindenburg schon viel Arbeit abgenommen: 1932 war das größte Land der Weimarer Republik, Preußen, auf verfassungsrechtlich fragwürdige Weise entmachtet worden. Unter Hitler erfolgte dann sehr rasch die Gleichschaltung aller deutschen Länder mit dem Kurs der NSDAP, ein Jahr später wurden die Länder gänzlich abgeschafft. Totale Macht lässt sich eben am effektivsten über Zentralismus ausüben.

Die österreichischen Faschisten unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß gingen einen ähnlichen Weg. Zwar hatten sie mit der diktatorisch erlassenen Maiverfassung 1934 den Bundesstaat formell nicht abgeschafft, aber zu einer leeren Hülle werden lassen. Es gab zwar Landesregierungen und Landtage, doch sie waren entmachtet. Der autoritär regierende Kanzler Engelbert Dollfuß hatte befürchtet, dass eine komplette Abschaffung der Länder in der Bevölkerung die ohnehin schon geringe Begeisterung für die neue Verfassung weiter schwächen würde. Also griff man zu einer typisch österreichischen Lösung und ließ die Fassade bestehen.

Föderalismus ist für alle autoritären Regierungen ein Übel. Leider gibt es auch unter vielen demokratisch gesinnten Menschen die Meinung, dass Föderalismus kein gutes Instrument zur Krisenbewältigung sei – von Corona über den Ukraine-Krieg bis hin zur Klimaerwärmung. Bei derartigen Herausforderungen, so wird häufig behauptet, müsse die Zentralgewalt durchgreifen können und dürfe nicht von irgendwelchen regionalen Parlamenten und Regierungen gebremst werden. Der Föderalismus war und ist jedoch ein effektives Mittel gegen jede Art von antidemokratischen, autoritären und diskriminierenden Tendenzen, es wäre daher unklug, diesen zu schwächen.

„Föderalismus ist für alle autoritären Regierungen ein Übel. “

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.

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