Strompreiserhöhung als Spannungsquelle
Wer in Lindau am Bodensee das Licht einschaltet, zahlt aktuell bei den dortigen Stadtwerken 42,22 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde. Im Schweizerischen St. Margrethen werden tagsüber 32,25 Rappen fällig. Die Tiroler Tiwag verrechnet 46,37 Cent Arbeitspreis. Vorarlberg ist nicht nur im Vergleich mit den unmittelbaren Nachbarn mit 18,65 Cent pro Kilowattstunde derzeit so etwas wie ein Strom-Schlaraffenland. Noch exakt 55 Tage.
Es ist die unangenehmste Nachricht, die der landeseigene Stromanbieter illwerke vkw und damit der Landeshauptmann in den kommenden Wochen unters Volk bringen muss. Vorarlberger Haushalte, bisher mit dem günstigsten Strom weit und breit gesegnet, werden sich ab 1. April auf saftige Erhöhungen einstellen müssen. Bislang war der Strom in Vorarlberg für Haushalte und kleine Handwerkskunden so günstig, dass die Strompreisbremse gar nicht griff: Wie die vkw selbst mitteilen, ist “die Strompreisbremse in Vorarlberg praktisch wirkungslos”, weil der reine Strompreis – also ohne Netzkosten – unter 10 Cent liegt.
Die Stromkostenbremse des Bundes, die ab April auch den Vorarlberger Strompreis abfangen wird müssen, ist kein Allheilmittel. Sie greift nur bis 2900 Kilowattstunden, der Durchschnittsverbrauch in Österreich liegt laut Statistik Austria allerdings bei über 4000 Kilowattstunden. Der von der Politik gewählte Wert entspricht dem Durchschnitt von kleinen Zwei-Personen-Haushalten. Wer Familie hat, zahlt drauf. Wer sich keine superneuen, energiesparenden Geräte leisten kann, auch.
Deshalb müssen die zusätzlichen Abfederungsmaßnahmen unter anderem Familien in den Fokus nehmen. Wie das gehen soll, daran tüfteln derzeit die Fachabteilungen. Sowieso heikel, dass sich die Politik in Strompreise von Unternehmen einmischen muss. Auch Doppelförderungen müssen vermieden werden.
Die illwerke vkw sagen derzeit offiziell, man müsse „noch rechnen“. Es wäre an der Zeit, den Vorarlbergern reinen Wein einzuschenken, nachdem auch am Freitag der Aufsichtsrat dazu tagte. Denn wir alle werden deutlich mehr Geld für Strom auf die Seite legen müssen, auch wenn der heimische Versorger weiterhin zu den günstigsten Anbietern zählen will. Laut VN-Informationen wird am Dienstag im Rahmen einer kurzfristigen Pressekonferenz der Strompreishammer verkündet.
Bleibt die Ungerechtigkeit, dass der Strom in der Silvretta zu vergleichbaren Kosten produziert wird – und der Preis vom teuersten Kohlekraftwerk Europas festgelegt wird. Das viel kritisierte Merit-Order-System hat den Stromhandel krank gemacht, lähmt Europas Wirtschaft und alle Haushalte. Den Energieanbietern spielt das Rekordgewinne in die Taschen. Schon 2021 konnten die landeseigenen illwerke vkw einen Gewinn von 136 Millionen statt 60 Millionen Euro noch im Vorjahr präsentieren und zahlten 40 Euro an jeden Kunden zurück. Bei 180.000 Haushaltskunden 7,2 Millionen Euro.
Jetzt wird es interessant sein, zu sehen, welche Preiserhöhung sich die Beteiligten leisten können. Das wird einerseits am Gewinn der illwerke-vkw-Bilanz zu messen sein – und zweitens an dem, was sich Landeshauptmann Markus Wallner politisch leisten will, im Jahr vor den nächsten Landtagswahlen.
Gerold Riedmann
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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