Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Ein Leuchtturm

Vorarlberg / 05.02.2023 • 21:57 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Gemessen an der Mittelmäßigkeit eines Großteils des in Österreich amtierenden politischen Personals war er ein Leuchtturm. Ich bin kein Freund der These, wonach früher alles besser gewesen sei. Aber der Tod Martin Purtschers gibt zu Vergleichen Anlass.

Die Mittelmäßigkeit hat sich wieder letzten Sonntag gezeigt. Da bekommen Schwarz und Rot eine schallende Ohrfeige, aber ihnen kommt kein Wort über eigene Fehler über die Lippen. Frau Mikl-Leitner schob mit versteinertem Gesicht die Schuld nach Wien ab. Martin Purtscher kannte seine Parteifreunde. „Bei manchen Landespolitikern besteht die notorische Neigung, sich auf Kosten der Bundespartei zu profilieren. Die mediale Aufmerksamkeit ist gesichert, doch die Wirkung selbstzerstörerisch. Ebenso verkehrt ist es, wenn sich bisweilen die Bundespolitik auf ‚Brüssel‘ ausredet“ (2013 in „Berührungspunkte“, Bucher-Verlag). Zum Thema „Fehler in der Politik“: „In meinem Streben nach der Gestaltung des politischen Lebens werden mir Irrtümer und Fehler nicht erspart bleiben“ (Antrittsrede als Landeshauptmann 1987). Oder: „Als Anhänger von Sir Karl Popper bin ich der Meinung, dass jeder irren kann.“

In dieser Antrittsrede bekannte sich Purtscher dazu, dass Politiker Visionen haben sollten. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, sagte schon 1980 der SPD-Politiker Helmut Schmid. Der österreichische Kanzler Franz Vranitzky später fast wortgleich dasselbe. In Wahrheit sahen es beide wie Purtscher, der gern Popper zitierte („Leben heißt Probleme lösen“) und sein Credo formulierte: „Aufgabe der Politik ist es vorauszuschauen, nicht nur aktuelle Probleme zu lösen, sondern künftige Probleme zu erkennen und langfristige Zielsetzungen vorzunehmen“. Krasser Gegensatz zur Gegenwart. Regierung und Opposition leben von der Hand in den Mund und denken nur an das Heute. Noch ein paar Zitate an die Adresse seiner Nachfolger: „Es ist nicht Aufgabe von Politik, Menschen gegen Menschen auszuspielen, unverhohlen an nackte Eigen- und Gruppeninteressen zu appellieren“. „Für mich waren Wahrheit und Toleranz wesentliche politische Kriterien“. Oder, vier Jahre vor Kurz und den Seinen, in Anlehnung an den Heiligen Benedikt: „Die rechte Maßhaltung ist die Mutter aller Tugenden.“

Was bleibt von Martin Purtscher? Natürlich die aktuell vielzitierte Heimholung der Illwerke und sein Verdienst für den EU-Beitritt. Für ihn waren „die finalen Beitrittsverhandlungen das strapaziöseste, aber auch das zutiefst berührendste Erlebnis meines ganzen Berufslebens.“ Für mich wichtig war, dass das Klima im Land liberaler geworden ist. Purtscher war ein Wertkonservativer, der sich zum Beispiel beharrlich gegen alle Pläne gestellt hat, Abtreibungen in Landesspitälern durchzuführen. Aber etwa durch die Auswahl der Landesräte Lins und Bischof und deren Offenheit gegenüber neuen Strömungen hat er viel von dem Mief abgeworfen, der die heimische Kulturpolitik bis dahin umweht hatte. „Vorarlberg – ein Kulturland“ war eine seiner Visionen, die er mit dem Kunsthaus trotz heftiger Diskussionen im Landtag wegen der Kosten („ein Millionenloch“, damals 285 Millionen Schilling) verwirklicht hat. Mit der FH Dornbirn hat Purtscher den jahrzehntelangen Fehler beseitigt, dass Vorarlberg keine universitäre Einrichtung hatte. Auch wenn er das Ziel einer eigenen Landes-Uni aus Kostengründen nicht verwirklichen konnte.

Es ist müßig, sich heute Politiker zu wünschen, die Philosophen oder Vordenker aus jüngerer Zeit zitieren können, ob Popper, Leopold Kohr, Aristoteles, den Soziologen Max Weber, Viktor Frankl, Cicero, aber auch Dietmar Bonhoeffer, Nietzsche oder Kant. Aber gelegentlich bei Martin Purtscher nachzuschauen, könnte nicht schaden.

Wolfgang
Burtscher

wolfgang.burtscher@vn.at

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.

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