“Ich verstehe es nicht”

“Es geht nicht darum, was ich möchte, sondern damit beschäftigen sich Experten. Ich glaube, dass es eine Lösung braucht, die nicht durch den Ort geht.” Marco Tittler, Verkehrslandesrat (ÖVP)
Beim VN-Stammtisch gingen die Wogen hoch. Auch das Publikum äußerte Unmut.
Lustenau Eine hitzige Debatte lieferten sich gestern, Mittwoch, Befürworter und Gegner der S 18 im Lustenauer Competence Center – zum bereits fünften Mal im Rahmen eines VN-Stammtisches zu diesem Thema. Ein aktueller Evaluierungsbericht aus dem Ressort von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sorgte in den vergangenen Wochen für Aufregung und für Verwunderung auf Schweizer Seite: Wurde darin doch – nach jahrzehntelangen Verhandlungen – eine neue Variante für die Trassenführung ins Spiel gebracht, nämlich von der Anschlussstelle Dornbirn-Süd bis Diepoldsau.
Dreimal Applaus
Bei drei Situationen zu Beginn des Abends spendete das Publikum im vollbesetzten Millennium Park lautstark Applaus, wenn auch unterschiedliche Gruppen: Zunächst als Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer (ÖVP) „als Bürger“ – er bezeugte es bei seiner privaten Wohnadresse – seine Position festhielt: „Ich glaube nicht, dass diese Straße gebaut wird. Die CP-Variante wird nie gebaut!“ Kurz darauf teilte der Gemeindepräsident von St. Margrethen in Richtung Umweltministerin aus: „Das, was von der Frau Gewessler vorgelegt wurde, ist für mich Ökopopulismus!“, gab Reto Friedauer zu Protokoll. Aber auch Klimaaktivistin Marina Hagen-Canaval fand Gehör, sie hielt die gesamte Diskussion über eine neue Straße im Unteren Rheintal für absurd: „Wir sitzen hier und diskutieren über ein fossiles Megaprojekt, das unsere Zukunft verbaut.“
Ähnlich wie der Bürgermeister glaubt auch Umweltlandesrat Daniel Zadra (Grüne) nicht mehr an den Bau einer S 18 und auch er wollte sich „als Bürger“ Lustenaus positionieren: „Es geht nicht so weiter und es kann nicht sein, dass Lustenau noch immer wieder die Wangen hinhalten muss.“ Er verwies außerdem auf das Regierungsprogramm auf Landesebene, wonach man auch jetzt „kurzfristige Maßnahmen“ setzen müsse: „Wir sprechen nicht davon, was in 30 oder in 40 Jahren passiert.“
Zuversichtlicher für einen Baubeginn – zumindest irgendwann – war Regierungskollege Marco Tittler (ÖVP): „Ich glaube, dass es eine Ortsumfahrungsvariante gibt, die man zumindest in ein Verfahren bringen kann“, sagt der Wirtschaftslandesrat. Er persönlich sei ein starker Verfechter der Z-Variante gewesen, aber „das geht halt leider nicht, das muss man akzeptieren“. Außerdem plädierte er für Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduktion auf der Landesstraße im Ort, für die es aber eine Änderung der Straßenverkehrsordnung bräuchte: „Jetzt haben wir eine grüne Ministerin und sie macht es nicht.“ – Buhrufe.
Diskussion ganz ohne Kleber
Bei der anschließenden Publikumsdiskussion meldete sich unter anderem Anrainerin Karina Lechtaler, die eine Befürworterin der S 18 ist, zu Wort und sie teilte aus: „Ich verstehe es nicht. Uns haben die letzten 15 Jahre mit der Hoffnung, dass es eine Umfahrung gibt, am Leben gehalten.“ Die notwendigste Sofortmaßnahme wäre eine wirksame Lärmreduktion, zum Beispiel mit Blitzern im Ort: „Wenn kein Stau ist, fahren die Lkw wie auf der Autobahn bei uns durch.“
Gegen Hagen-Canaval sprach außerdem FPÖ-Gemeinderat Martin Fitz an: „Es braucht eine langfristige Entlastung. Umwelt ja, ich habe Verständnis dafür, aber: Wenn bei uns die Lichter ausgehen, muss die Wirtschaft, von der wir alle leben, funktionieren.“ Seine Ansage an die Klimaaktivistin sorgte aber für Buhrufe: „Ich bring‘ dir gleich einen Kleber zum Festkleben.“

“Wenn wir glauben, dass wir 2040 den Verkehr wie heute abwickeln können, sind wir auf dem falschen Weg: Der Klimakrise ist unser Verständnis egal.” Daniel Zadra, Umweltlandesrat (Grüne)

„Die Wirtschaft denkt gerne langfristig, aber auch sie wird erkennen müssen: Wir brauchen eine Verkehrswende, die ihren Namen verdient!“ Kurt Fischer, Bürgermeister Lustenau (ÖVP)

“Ich spreche für alle Schweizer Gemeinden im Mittelrheintal: Uns noch einmal eine neue Variante über die Medien hinzuschmeißen, geht nicht.” Reto Friedauer, Gemeindepräsident St. Margrethen

„Ich bin heute wohl die Stimme der Realität. Wenn ich höre, was gesagt wird, drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Klimakrise nicht verstanden wurde.“
Marina Hagen-Canaval, Klimaaktivistin

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