Der junge Goethe und sein moderner Interpret

Schauspielstar Philipp Hochmair feierte Vorarlberg-Premiere.
Götzis Der junge Goethe – das sind in den Siebzigerjahren des 18. Jahrhunderts die inbrünstigen Sesenheimer Lieder für seine erste Liebe, das ist der trotzige „Götz von Berlichingen“ mit seinem derben Zitat, das sind der blasphemische „Prometheus“ oder der bis in die heutigen Schulklassen aktuelle Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ (1774). Und dieser „Werther!“ begeistert derzeit die Bühnen weit und breit in der Interpretation des österreichischen Bühnenstars Philipp Hochmair. Neben dem üblichen Repertoire eines Spitzenkünstlers verblüfft und erregt Hochmair auch immer wieder die Gemüter mit singulären multimedialen Bearbeitungen großer Werke z. B. Jedermann, Schiller. Regisseur Nicolas Steman ist Hochmairs genialer Bühnenpartner.
„Sturm und Drang“
Die Jugendjahre mit ihren charakteristischen Werken fallen beim jungen Goethe wie auch Schiller in die sogenannte Literaturepoche des Sturm und Drang. Es war die Zeit eines Aufbruchs großer Gefühle und Leidenschaften, persönliche Sprachgewalt ersetzte steif gewordene Routine. Das Schlagwort war „Empfindsamkeit“, Rousseaus „Zurück zur Natur“, die Vergötterung von Genius, Genie, Natur und Natürlichkeit dominierten. „Werther“, eine Sturm-und-Drang-Figur par excellence für Hochmair. Goethe schildert mit beinahe naturalistischer Eindringlichkeit das Schicksal des jungen Werther, der sich unsterblich, aber chancenlos in Lotte, die Verlobte Alberts, verliebt. Hochmair las zuerst Goethe-Zitate. Den verzweifelten Weg bis zur tödlichen Kugel gestaltete der vielseitige Schauspieler als gewaltige optische Demaskierung von Werthers zerrissener Seele: Hass, Rache, Verzweiflung, Sehnsucht, Wahnsinn, Zorn (mehrmals zerbricht er Geschirr, Episode als Clown etc.). Die ganze Gefühlsskala eines unglücklich Liebenden präsentierte der grandiose Philipp ganz körperlich. Ein herrliches Blumenbild auf der Leinwand war wohl der Kontrast dafür, dass es neben Werthers Pech auch Liebesglück gibt.
Philipp Hochmair schenkte dem Publikum jedenfalls einen hochinteressanten Abend, dem allerdings eine gedankliche „Nachbereitung“ nicht schadet. Großer Jubel, nicht nur von Fans. SCH
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