Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Wir sind alle Menschen

Vorarlberg / 14.02.2023 • 17:58 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Ich bin oft amüsiert, wenn ich Artikel über prominente Persönlichkeiten lese, und erinnere mich, wie ich als Kind voller Ehrfurcht vor diesen Menschen war. Längst schon hat mich die Wirklichkeit eingeholt, und ich kann mit Ehrlichkeit sagen, dass ich mit keinem tauschen möchte. Dabei ist zu bedenken, dass ich mir im Lauf der Zeit über die Einmaligkeit jedes Menschen Gedanken gemacht habe. Zu sein wie … – dieser Wunsch ist traurig. Am Ende zu sagen: Ich war nur die, die am Saum der goldenen Kleider hing. Wenn ich mir vorstelle, dass alle Leute Schlaf brauchen, und wenn sie ihn nicht bekommen, unausgewogen, gar krank werden, danke ich meinem Bett, dem weichen Kopfkissen, der duftigen Decke, und ich wünsche mir, dass alle so eine hätten, jeder, der keine hat. Und die, die mehr als zwei oder drei besitzen, schlafen nicht besser. Sie haben ständig Angst, zu versagen, nicht klug genug zu sein, nicht schön genug zu sein, falsche Dinge gesagt zu haben, unvorteilhaft herauszukommen. Bitte, denken Sie nicht, ich sei arrogant. Lediglich zufrieden bin ich, dass ich den Leuten nicht hinterherrennen muss, um wahrgenommen zu werden. Im Gegenteil. Ich bin dankbar, meine Ruhe zu haben.

Im Geheimen wirken, wie überspannt das klingt! Nichtsdestotrotz möchte ich, mit dem, was ich schreibe, gut ankommen. Ich schaue die Menschen an und bin dankbar, dass sie mir meinen Gedankenlauf in Fahrt bringen. Ich will niemandem zu nah treten, schau nur aus der Ferne zu.

Gerade hat mir meine Enkelin in einer Mail berichtet, dass sie bei ihrer Jobsuche abgelehnt worden sei. Ihre Mutter war der Meinung, es könnte daran liegen, dass sie zu aufwendig geschminkt war, zu extravagant gekleidet. Ob ich ihr raten könne. Keine Ahnung, schrieb ich zurück, kommt darauf an, wofür du dich beworben hast. Wenn es sich um den Job einer Hebamme oder einer Landschaftsgärtnerin handelt, ja dann, dann würde ich ihr wohl raten, so natürlich wie möglich daherzukommen. Wichtig fände ich, wenn sie dafür selber ein Gespür entwickeln könnte. Dass ich längst nicht mehr wüsste, wie die Uhren ticken. Könnte sein, dass ich völlig daneben liege. Sie solle doch einfach nachfragen, warum sie abgelehnt worden war.

Sie schrieb mir zurück: Ich glaube, es lag an meinem Zeugnis. Scheiße, aber ich werde es schaffen. Vielleicht, wenn wir uns nächstes Mal sehen, habe ich eine Baumschere in der Hand.

„Lediglich zufrieden bin ich, dass ich den Leuten nicht hinterherrennen muss, um wahrgenommen zu werden.“

Monika Helfer

monika.helfer@vn.at

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.

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