„Kinderbetreuung darf nicht egal sein“

Landesverband für selbstorganisierte Spiel- und Kindergruppen mit neuer Obfrau.
Schlins „Ich habe immer gehofft, alle Projekte abschließen zu können, bis ich die Funktion der Obfrau abgebe, aber das war wohl blauäugig.“ Die Bilanz von Bea Madlener-Tonetti (63) fällt nach zehn Jahren Landesverband für selbstorganisierte Spiel- und Kindergruppen zwiespältig aus. „Stellt man das, was wir an Energie und Einsatz investiert haben, dem gegenüber, was wir erreicht haben, fällt das Ergebnis auf den ersten Blick mager aus“, sagt sie selbstkritisch.
Gleichzeitig spricht die Leiterin der „Spielkiste“ in Schlins von einer sehr bereichernden Zeit: „Ich durfte viele tolle und aufrichtig interessierte Menschen kennenlernen, denen eine chancengerechte Zukunft der Kinder ein ehrliches Anliegen ist.“ Ihrer Nachfolgerin Manuela Lang (45) bleiben nun einige Baustellen, die es weiter zu bearbeiten gilt. Dazu zählt unter anderem das Ausbildungsangebot für Quereinsteigerinnen. „Sie wären die Rettung aus der Personalnot“, sagt Lang, doch es mangle an qualitativen Bildungsformaten. Solche nach Vorarlberg zu bringen, ist ein Ziel, ein weiteres die Gleichstellung privater und öffentlicher Träger sowie ein einheitliches Fördermodell. Nach wie vor seien Gemeinden da bessergestellt.
Anerkennung versagt
Unter den vielen Anliegen, um die im Lauf der Jahre gerungen wurde, sticht noch ein Thema heraus, nämlich jenes der Vorbereitungszeit. 2017 erhielten die Beschäftigten in den Kindergruppen endlich eine Erhöhung zugestanden. „Bis wir eine Anpassung an die Vorbereitungszeit der Kindergartenpädagoginnen bekamen, hat es aber noch einmal sechs Jahre gebraucht“, nennt Bea Madlener-Tonetti ein Beispiel für das oftmalige Bohren in harten Brettern. In diesem Fall ist die Arbeit aber noch nicht abgeschlossen, denn in Spielgruppen steht weiterhin keine Vorbereitungszeit zur Verfügung. Unzufrieden ist der Landesverband in Teilen auch mit dem neuen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz, das etwa den Spielgruppen die Anerkennung als qualifizierte Einrichtungen mit vorschulischem Bildungsauftrag, entsprechender Personalkostenförderung und Anspruch auf Vorbereitungszeit versagte. „Hier wird es heißen, sich weiter für die Spielgruppen einsetzen“, resümiert Bea Madlener-Tonetti.
Sie moniert ebenso den fehlenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr, obwohl der Bedarf steige, und kritisiert die drohende Verschärfung im Kleinkindbereich durch den lediglich in einer Verordnung geregelten Betreuungsschlüssel, der mit 1:5 angegeben wird. Sorgen bereitet auch der Mangel an qualifizierten Fachkräften. „Es muss einheitliche Qualitätsstandards in der Basisausbildung geben“, fordert Manuela Lang, die selbst am WIFI in diesem Bereich unterrichtet. Aussagen wie „Kinder sind so süß“ würden nicht reichen. „Wir brauchen die besten Leute, weil man gerade in der Kleinkindphase viel kaputtmachen kann.“ Da müsse investiert werden, denn das trage später Früchte.
Die Frauen sind sich einig: „Kinderbetreuung darf der Politik nicht egal sein. Die Entscheidungsträger müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden und Verordnungen den Bedürfnissen der Kinder und Pädagoginnen anpassen.“ Bea Madlener-Tonetti zitiert in diesem Zusammenhang noch Stefan Sagmeister, der bei der Eröffnung seiner Ausstellung „Beauty“ in Bregenz sagte: „99 Prozent der Dinge sind deshalb hässlich, weil es jemandem egal war.“ Madlener-Tonetti: „Kinderbetreuung darf nicht hässlich werden.“ Mit ihr haben sich auch Christl Hackspiel und Manuela Lehner-Künz, zwei langjährige Wegbegleiterinnen, aus dem ehrenamtlich tätigen Landesverband zurückgezogen. In privaten Kinder- und Spielgruppen werden rund 2900 Kinder betreut. VN-MM
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