Widerstand gegen Mercosur-Handelspakt

Kritiker befürchten Gefahr für Vorarlberger Landwirtschaft. Befürworter heben indes Chancen hervor – auch für den Klimaschutz.
Schwarzach Die Verhandlungen mit den Mercosur-Ländern sind erstmals 1999 aufgenommen worden, eine Grundsatzeinigung steht seit 2019. Die Europäische Union hofft, dass das Handelsabkommen noch heuer unterzeichnet werden kann. Zu dem Staatenbund in Südamerika gehören Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Österreich steht indes auf der Bremse. In Vorarlberg werden Sorgen um die kleinteilige Landwirtschaft laut. Befürworterinnen und Befürworter verweisen hingegen auf Chancen, strenge europäische Klimaschutzstandards auch in diesen Teil der Welt zu tragen.
„Billiglebensmittel über Hintertür“
Österreich hat sich bereits festgelegt: Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) bekräftigte im Februar noch einmal sein Nein. Dies entspreche auch dem türkis-grünen Regierungsprogramm.
Groß sind auch die Bedenken von Agrarlandesrat Christian Gantner (ÖVP). Bei der Vorarlberger Landwirtschaft handle es sich um einen „Spitzenreiter, wenn es um Tierwohl- und Umweltstandards geht“, sagt Gantner. Diese müssten aber nicht nur in den heimischen Ställen, sondern auch in den Kaufregalen gelten. „Das Mercosur-Abkommen ist der Versuch, den Konsumenten über die Hintertür Billiglebensmittel mit niedrigen Produktionsstandards und einem riesigen CO2-Rucksack unterzujubeln.“
Ähnlich klingt das bei Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger. „Es gibt kein Verständnis dafür, dass man billigen Rohrzucker und andere Produkte von Großbetrieben mit einer miesen Klimabilanz zu uns importiert“, kritisiert der Vorarlberger das Handelsabkommen im Gespräch mit den VN. Dadurch würden die österreichischen bäuerlichen Betriebe massiv unter Druck gesetzt. Die EU-Kommission sei Antworten zu möglichen Schutzmechanismen gegen Marktverwerfungen schuldig geblieben.
Splitting befürchtet
Zuletzt gab es auch Bedenken, dass es zu einem sogenannten Splitting kommen könnte. Die Europäische Kommission könnte demnach das Abkommen in ein politisches und ein wirtschaftliches Kapitel teilen, wodurch beim Handelsteil die ansonsten notwendige Einstimmigkeit im Rat der EU fallen würde, warnte etwa die Arbeiterkammer. Darauf verweist auch Moosbrugger. Der Landwirtschaftskammerpräsident meint: „Es entsteht der Eindruck, dass die Kommission derzeit versucht, den Pakt durch die Hintertür durchzupeitschen, mit juristischen Spitzfindigkeiten, um das Nein einzelner Staaten zu umgehen.“
Doch nicht nur konservative Politiker und Landwirte sind besorgt. Auch Umweltschützer machen Stimmung gegen das Mercosur-Abkommen. Rückenwind für Totschnigs Nein gibt es etwa von Greenpeace, das einen „Klimakiller-Pakt“ orten. Die Bundesregierung müsse alles tun, um diesem ein Ende zu setzen, hat die Umweltschutzorganisation gefordert.
„Green Deal soll überall wirken“
Claudia Gamon, Vorarlberger Europaabgeordnete und seit Kurzem auch Landes-Chefin der Neos, kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. „Meine Position ist klar: Der Amazonas-Regenwald muss geschützt werden. Doch wird er das, wenn wir uns weiter abschotten?“ In Europa habe sich in den letzten Jahren viel getan, was Klimaschutz angehe. Es gebe strenge Regeln. „Wir wollen aber, dass der European Green Deal überall wirkt.“ Gerade in Brasilien biete sich unter dem neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der die umweltschädliche Politik seines Vorgängers Jair Bolsonaro rückgängig machen will, eine große Chance. Der Mercosur-Handelsvertrag böte die Gelegenheit, den Green Deal bis nach Südamerika zu verbreiten, ist Gamon überzeugt. „Es geht uns etwas an, was im Rest der Welt passiert.“
IV sieht Potenzial
Zu den Befürwortern zählt auch die die Industriellenvereinigung. Die Mercosur-Staaten spielten mit den dort vorkommenden Rohstoffen und seltenen Erden eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen Energiewende, erläutert der Vorarlberger IV-Geschäftsführer Christian Zoll, und nennt in diesem Zusammenhang etwa die Batterieproduktion oder grünen Wasserstoff. Mit dem Abkommen könnten sich die europäischen Exporte Schätzungen zufolge in sieben bis zehn Jahren verdoppeln, betont er. 1400 österreichische Unternehmen und über 60.000 aus der EU seien in diesen Ländern tätig. „Das ist ein wichtiger Wirtschaftsraum.“ Zudem ist Zoll zufolge klar: Sollte Europa die Gelegenheit verstreichen lassen, würden andere die Lücke nutzen. China zum Beispiel. VN-RAM
Mercosur-Abkommen
Die EU verhandelt mit dem Staatenbund Mercosur, zu dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören, seit 1999 über das Abkommen. Damit würde eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen. Das Abkommen lag auch angesichts der Verweigerung des vorigen rechten Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, beim Klimaschutz auf Eis. Nun hofft die EU auf eine Unterzeichnung bis Juli.
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