Hohe Belastung durch steigende Kosten

Vorarlberg / 17.02.2023 • 18:33 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Christina Arnoldi aus Feldkirch merkt die gestiegenen Kosten vor allem beim Autofahren. VOL.AT/MAYER
Christina Arnoldi aus Feldkirch merkt die gestiegenen Kosten vor allem beim Autofahren. VOL.AT/MAYER

Teuerung macht auch der Mittelschicht zu schaffen. Armutskonferenz fordert Treffsicherheit.

FELDKIRCH, DORNBIRN Die Teuerung setzt vielen Menschen zu. Ob Wohnen, Autofahren oder Wocheneinkauf: Das tägliche Leben ist für zahlreiche Vorarlbergerinnen und Vorarlberger deutlich teurer geworden. Davon kann auch Christina Arnoldi (32) berichten. Sie lebt mit ihrer fast eineinhalb Jahre alten Tochter Malia und Partner Philip in Feldkirch. „Beim Auto merke ich es am meisten“, sagt Arnoldi zu den VN. Auch der Lebensmitteleinkauf verschlinge einen immer höheren Anteil vom gemeinsamen Einkommen.

Wohnungskauf heute schwierig

Arnoldi hat nach der Karenz eine Bildungskarenz absolviert; das heißt, dass sie 60 Prozent des vorherigen Lohnes bekommt. Außerdem arbeitet sie einen Vormittag in der Woche geringfügig bei einem Kieferorthopäden. Ihr Freund ist vollzeitbeschäftigt. Sie betont: „Wir haben beide gute Jobs, bei denen wir nicht schlecht verdienen.“ Vor drei Jahren hat das Paar eine Dreizimmerwohnung in Feldkirch gekauft. Heute wäre das weitaus schwieriger, glaubt die 32-Jährige.

Die Fixkosten beziffert sie mit sicher 2000 bis 2200 Euro, darunter fallen Kredit, Handy, Auto, Versicherungen und Internet. „Da sind die Lebensmittel noch gar nicht dabei.“ Diese forderten einen immer größeren Teil des Gehalts, fast schon ein Drittel, schildert Arnoildi weiter. „Wir kaufen aber keine Luxusprodukte, essen nicht viel Fleisch.“ Zuweilen gehe sie auch auch zum Diskonter. Bei nicht notwendigen Autofahrten hat sich die 32-Jährige bereits eingeschränkt. „Meine Mutter lebt im Bregenzerwald. Früher bin ich oft zu ihr gefahren. Jetzt überlege ich mir jede Fahrt genau.“

Ähnlich wie Arnoldi geht wohl es vielen Menschen im Land. Sie hinterfragen Ausgaben, die früher selbstverständlich waren. Andere kommen kaum mehr oder nur noch mit Mühe über die Runden. Die VN erreichte etwa eine Zuschrift, wonach Besuche im Kino oder Restaurant aktuell kaum mehr möglich sind und kein Gerät im Haushalt mehr kaputt gehen darf. Jeder besondere Anlass wie etwa eine Hochzeit werde zur Herausforderung.

Die Armutskonferenz schlägt längst Alarm. Seit jeher warne man vor einer Situation wie derzeit, sagt Sprecher Michael Diettrich bei einer Pressekonferenz in der Faehre in Dornbirn. „Unter Bezugnahme auf OECD-Studien wiesen wir immer wieder darauf hin, dass in den letzten 35 Jahren die unteren 40 Prozent der Bevölkerung von der Wohlstandsentwicklung abgekoppelt wurden und keine Reserven haben, um außergewöhnliche Beeinträchtigungen ihrer Lebenssituation wie die derzeitige Teuerung aufzufangen.“ Dabei handle es sich nicht nur um Armutsgefährdete und Sozialhilfebezieher, sondern um „Menschen bis in die untere Mittelschicht“ hinein. Diese säßen alle im gleichen Boot und litten unter eklatanten Schwierigkeiten, sich das teurer gewordene Leben zu leisten. Doch wer zählt eigentlich zu dieser Gruppe? In der Politik und von Expertinnen und Experten sei immer wieder zu hören, dass die Teuerung der Mittelschicht zusetzt, sagt Diettrich. Die Armutskonferenz vermisst aber eine genaue Definition und die Treffsicherheit von Maßnahmen für die untere Mittelschicht, etwa bei der Wohnbeihilfe. Bei dem Termin in Dornbirn mit Faehre-Geschäftsführer Konrad Steurer am Freitag unterfütterte Diettrich diese Aussagen mit Zahlen (siehe Grafik).

Überarbeitung gefordert

Der Armutskonferenz-Sprecher bezeichnet die Wohnbeihilfe als typisches Beispiel von „gut gedacht, schlecht gemacht“. Zwar seien die Anspruchskriterien angepasst worden. Die Landesregierung habe verkündet, dass sie nun bis in den Mittelstand Wirkung entfalte. „Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit.“ Nur bei Einpersonen- und Alleinerziehendenhaushalten lägen die Einkommensgrenzen so hoch, dass auch ein Teil der Haushalte aus der unteren Mittelschicht anspruchsberechtigt sei, kritisiert Diettrich. Ausgerechnet bei Familien mit Kindern und für Paare ohne Kinder sei das nicht der Fall. „Insgesamt ist das ein schönes Beispiel dafür, dass in der Politik zwar gerne von der Mittelschicht gesprochen wird, man aber oft gar nicht weiß, was darunter zu verstehen ist.“ Dies müsste dringend überarbeitet werden.

Als Obergrenze sollen aus Sicht der Armutskonferenz 80 Prozent des mittleren Einkommens gelten. „Erst dann würde tatsächlich auch die untere Mittelschicht grundsätzlich anspruchsberechtigt.“ VN-RAM

„Die unteren 40 Prozent der Bevölkerung wurden von der Wohlstandsentwicklung abgekoppelt.“

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