Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Gut, dass es Teilzeit gibt

Vorarlberg / 18.02.2023 • 06:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat eine große Herausforderung angesprochen, eine ernsthafte Debatte darüber jedoch erschwert: Österreich ist mit einem steigenden Arbeitskräftemangel konfrontiert. Leuten, die freiwillig Teilzeit arbeiten, Sozialleistungen zu kürzen, damit sie auf Vollzeit umsteigen, ist jedoch ein schlechter Ansatz. Zumal sie ohnehin schon weniger bekommen im Falle von Arbeitslosigkeit oder später einmal in der Pension. Im Übrigen ist die Botschaft, die damit einhergeht, gefährlich: Kocher war umgehend mit Protesten konfrontiert und korrigierte seine Überlegungen. Mit Strafen wird man nicht weit kommen. Im Gegenteil: Sie laufen darauf hinaus, Teilzeitbeschäftigten zu unterstellen, dass sie faul seien und zu vermitteln, dass es eine bürgerliche Pflicht sei, Vollzeit zu arbeiten. Selbst wenn man das will, sollte man wissen, was man damit auslöst: Widerstände, die zu neuen Konflikten führen.

„In der Schweiz ist nicht nur der Anteil der Teilzeitbeschäftigten viel höher, sondern überhaupt jener der Erwerbstätigen.“

In Wirklichkeit ist es gut, dass es Teilzeit gibt: Studierenden ermöglicht es Einkommen; Elternteilen mit Betreuungspflichten, wenigstens ein bisschen einem Job nachzugehen und Älteren, die die Jahre spüren, eine „Work-Life-Balance“ zu halten. Abgesehen davon kann es zu einer Anpassung an finanzielle Bedürfnisse kommen: Wenn Kredite abgestottert und die Kinder aus dem Haus sind, reicht es unter Umständen, 80 Prozent zu verdienen. Und nicht zu vergessen: Immer mehr Unternehmen suchen gezielt Mitarbeiter für ein paar Stunden. Im Handel sind Freitagnachmittag ungleich mehr Kräfte nötig als am Montagvormittag. Teilzeit macht es möglich, darauf zu reagieren. Wichtiger wäre es, dem Arbeitskräftemangel umfassend zu begegnen. Dem steht jedoch eine vorherrschende Politik im Weg, die sich weigert, Österreich als Zuwanderungsland zu bezeichnen und sich zum Beispiel vorzunehmen, es so attraktiv zu machen, dass junge Leute aus aller Welt, die voller Tatendrang sind, nicht irgendwohin, sondern unbedingt hierherkommen möchten. Daraus könnte man dann sogar ein Auswahlverfahren machen. Aber wenn man lieber eine Festung ist, geht das natürlich nicht.

Zuwanderung allein würde das Problem nicht lösen. Es geht schon auch darum, vorhandene Potenziale auszureizen: In der benachbarten Schweiz ist nicht nur der Anteil der Teilzeitbeschäftigten viel höher, sondern überhaupt jener der Erwerbstätigen unter 65. Es liegt wohl daran, dass es hierzulande nach wie vor eine Frühpensionierungskultur gibt; dass selbst Leute, die bereit wären, länger zu arbeiten, bei erstbester Gelegenheit in den Ruhestand verabschiedet werden. Und dass es Frauen aufgrund fehlender Kinderbetreuungsangebote oder eines entsprechenden Rollenverständnisses noch immer zu oft schwer gemacht wird, erwerbstätig zu sein. Was nebenbei einem Beitrag zu Chancenungleichheit entspricht.
Bei den Teilzeitbeschäftigten hat Kocher erfreulicherweise auch von Anreizen gesprochen. Es gibt wirklich zu viele Regelungen, die davon abhalten, mehr Stunden zu arbeiten und damit auch mehr Geld zu verdienen. Ein Beispiel dafür ist, dass Einkommen zunächst mit null und dann, ab einer bestimmen Höhe, gleich mit 20 Prozent besteuert werden. Das gehört geändert. Jetzt würde es einen guten Grund geben, es zu tun: Aus dieser Stufe gehört eine Rampe, also ein gleitender Übergang, gemacht.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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