Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Echte Mannsbilder

Vorarlberg / 21.02.2023 • 17:56 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Selbst der US-amerikanische Präsident kann manchmal ein Geheimnis bewahren. Seine Reise nach Kiew war sicher von langer Hand geplant. Dennoch überraschte Joe Biden mit seinem Besuch bei Wolodymyr Selenskyj. Die Kurzvisite sollte vordergründig die Unterstützung der USA und damit auch der NATO für die seit einem Jahr unter Angriff stehende Ukraine signalisieren. Ein weit weniger offensichtliches Motiv war die Entlarvung Wladimir Putins nicht nur als Außenseiter, sondern auch als Feigling. Immerhin hat der russische Präsident, der früher gerne mit nacktem Oberkörper auf hohem Ross oder mit Waffe in der Hand posierte, sich noch nie ins Kampfgebiet zu seinen Truppen gewagt.

Die mutige Reise Bidens ist daher unter dem Blickwinkel der Inszenierung von Politik ein gewaltiger Rückschritt. Plötzlich werden traditionelle Männerbilder und ein archaisches Politikverständnis wiederbelebt. Mit festem Händedruck versichern sich die Spitzen von Demokratien ihre Freundschaft. In Militärkleidung suggerieren sie Handlungsfähigkeit trotz Krisen. Vor einem Meer von Flaggen wird die Wahrung der nationalen Interessen versprochen. Die Darstellung unterscheidet sich in Demokratien inzwischen kaum von jener in autoritären Regimen. Selbst in Österreich rückten Fahnen während der Pandemie plötzlich in den Hintergrund jeder Pressekonferenz. Ein Generalmajor meinte gar, der Tarnanzug wäre zur Bekämpfung eines Virus notwendig.

Der starke Mann ist zurück auf der politischen Bühne, inklusive markiger Sprüche. Wobei offen ist, ob hier der Bedarf das Angebot geschaffen hat oder die Gelegenheit. Tatsächlich lässt sich seit Jahren eine steigende Zustimmung zu einem „starken Führer, der sich nicht um Wahlen und Parlament kümmern muss“ messen. So gesehen bedient die Politik ein wachsendes Bedürfnis um populär zu sein. Oder das Angebot schafft die Nachfrage. Das würde bedeuten, dass zukünftig nachdenkliche, Fehler eingestehende oder nur diskussionsbereite Politiker chancenlos sind, weil sie als „schwach“ abqualifiziert werden.

Für Demokratien bedeutet das nichts Gutes, denn jede Partei, jedes Parlament soll ein Abbild der Bevölkerung in ihrer ganzen Breite sein. Je mehr männliche Stereotype präsentiert werden, desto geringer die Chancen für Frauen oder Minderheiten bei der Vertretung ihrer Interessen als auch der Wahrnehmung ihrer Anliegen. So haben nur zwei Frauen von der ÖVP-Liste den Sprung in den niederösterreichischen Landtag geschafft. Die restlichen 21 wurden durch ein Direktwahlsystem an Männer vergeben. Von Wählerinnen und Wählern, die offensichtlich wieder eher Männern politische Durchsetzungskraft zutrauen.

„Ein weniger offensichtliches Motiv war die Entlarvung Wladimir Putins als Feigling.“

Kathrin Stainer-Hämmerle

kathrin.stainer-­haemmerle@vn.at

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.

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