Gezeichnet sein

Vorarlberg / 21.02.2023 • 17:44 Uhr / 2 Minuten Lesezeit

Das mit dem Aschenkreuz war so eine Sache. Der Priester streute es uns auf die Stirn. Und wir Buben strubbelten es wieder aus den Haaren, sobald wir die Kirche verlassen hatten. Wer will schon länger als nötig daran erinnert werden, dass er dereinst zu Staub zerfallen wird? Das ist ja grad so, als trüge man das Kainsmal des notorischen Strebers auf der Stirn. Geht gar nicht!

Der Aschermittwoch setzt bis heute ein Ausrufezeichen hinter den Fasching und an den Anfang der Fastenzeit. Er malt den zeitlosen Narren das Zeichen der Sterblichkeit ins Gesicht. Nett ist das nicht. Dabei schreiten wir unentwegt zeichenhaft durchs Leben. Demonstrieren mit teuren Klamotten, was wir uns leisten können, tragen Zugehörigkeit zur Schau zu Vereinen, gesellschaftlichen Schichten, Altersgruppen: Im wogenden Meer einer Fußgängerzone dümpeln die Bekenntnisse nur so dahin.

Auch die unfreiwilligen. Und man hat den Eindruck, dass die Zahl derer wächst, die unversehens in einen Aschermittwoch ohne Ablaufdatum geschlittert sind. Die Inflation hat sie aus ihrer Sicherheit katapultiert. Viel war es ja nie gewesen, aber es hatte ihnen immer zum Leben gereicht. Nun finden sich Teile der Bevölkerung als Bittsteller wieder. Sie rackern oft in zwei, drei Jobs, aber es geht sich einfach nicht aus. Ihr Aschenkreuz hält an. Das hätten sie nie für möglich gehalten. Ob ihre Verwunderung bald in Wut umschlägt? Das Kreuz auf der Stirn lässt sich abwischen, soziale Deklassierung nicht.

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