Das Martyrium einer Mutter

Mann (23) wegen fortgesetzter Gewaltausübung gegen seine Mutter zu Haftstrafe verurteilt.
Feldkirch In seinem Eingangsplädoyer zu Beginn der Verhandlung am Landesgericht Feldkirch charakterisiert Rechtsanwalt Helmuth Mäser seinen Mandanten mit folgenden Worten: „Er lebt in anderen Sphären, als ihm seine Intelligenz bescheinigt.“
Der 23-jährige Angeklagte mit einem attestierten Intelligenzquotienten von 78 vermag sich nur schwer zu artikulieren. Und doch gibt er eines deutlich zu verstehen: „Ich will in der Universitätsklinik Innsbruck behandelt werden und dann studieren, ohne Schmäh . . .“.
Der Mann wird beschuldigt, seine 54-jährige Mutter im gemeinsamen Haushalt misshandelt zu haben. Im Zeitraum von Mitte September bis Jänner hätte er sie geschlagen, und das mindestens einmal wöchentlich. Mit der flachen Hand, aber auch mit der Faust. Einmal brach er sich bei einer Reparatur einen Finger. Die Mutter rügte ihren Junior daraufhin, doch fuhr ihn dann mit dem Auto ins Krankenhaus. Noch im Fahrzeug packte er die Frau am Hals. Kleinste Vorkommnisse genügten, um beim Sohn aggressive Akte der Gewalt auszulösen.
Mit dem Umbringen bedroht
In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ist auch gefährliche Drohung angeführt. Demnach soll der Mann seine Mutter mehrfach in türkischer Sprache mit dem Umbringen bedroht haben.
Vor Gericht ist der Angeklagte nicht geständig. Vielmehr sieht er sich selbst als Opfer. So versucht er gegenüber Richter Martin Mitteregger deutlich zu machen: „Mein Stiefvater hat mich ständig verprügelt. Und meine Mutter hat mich seit frühester Kindheit bemängelt und vernachlässigt. Ich habe mich nur verteidigt – ohne Schmäh, wirklich . . .“
Der einzige Wunsch der Mutter
Seine Mutter wird nun als Zeugin zur Einvernahme in den Verhandlungsaal gebeten. Das Angebot einer kontradiktorischen Einvernahme in einem anderen Raum lehnt sie ab. Sie will ihrem Sohn in die Augen sehen.
Ja, sie sei von ihrem Junior misshandelt worden. Alles, was dem 23-Jährigen vorgeworfen wird, entspreche der Wahrheit. Und doch spricht noch ein mütterlicher Wesenszug aus ihrer Seele: „Mein Sohn ist krank. Aber er ist ein gutes Kind. Mein einziger Wunsch ist, dass er behandelt wird“, sagt sie.
Verteidiger Anwalt Mäser versucht, die vorgeworfenen Taten etwas zu entschärfen. „Die Frau ist nur geringfügig verletzt worden. Da waren keine Hämatome, da war kein blaues Auge.“
Worauf Richter Mitteregger entgegnet: „Sicherlich handelte sich um keine mörderischen Tätlichkeiten. Aber auch um keine, die zu bagatellisieren sind.“
In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung sagt der Beschuldigte: „Ich kann das alles nicht verstehen, ohne Schmäh jetzt . . .“ Allerdings ohne dabei zu begründen, was genau er denn nun nicht verstehe könne.
Bedingte Haftstrafe widerrufen
Der 23-Jährige wird im Sinne des Strafantrags zu einer unbedingten Haftstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Drei Monate Gefängnisstrafe auf Bewährung aus einer früheren Verurteilung (er hatte seinen Stiefvater mit einem Messer bedroht) werden widerrufen. So ergibt die gesamte Haftstrafe zwölf Monate.
Staatsanwalt und Verteidiger geben keine Erklärung ab. VN-gs
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