Ein Leben im Unruhestand

Mit 96 Jahren arbeitet Küfermeister Josef Lässer noch jeden Tag in seiner Werkstatt. Die Arbeit erfüllt ihn und lenkt ihn vom Verlustschmerz ab.
Doren Es passiert nicht oft, aber manchmal, in stillen Momenten, taucht Josef Lässer (96) in die Vergangenheit ab. Unzählige Stationen, natürlich auch die wichtigsten seines Lebens, ziehen dann an seinem inneren Auge vorbei. Er sieht sich als Bub im Stall beim Vieh und im Küfereibetrieb seines Vaters. „Ich war gerne beim Däta in der Werkstatt. Das Arbeiten mit Holz gefiel mir.“ Das „Burna“ hingegen mochte er nicht.


Blutjung musste Josef in den Krieg ziehen. Das einzige Kind der Lässers, das mit 17 noch gar nicht erwachsen war, wurde 1944 zum Partisaneneinsatz nach Jugoslawien beordert. Seine Eltern, tiefgläubige Menschen, gaben ihm zum Abschied ein Gebet mit, auf das die Familie seit Generationen vertraute. “Mama sagte zu mir: ‘Wer dieses Gebet täglich betet, wird nicht eines jähen Todes sterben und in keiner Schlacht umkommen.’ So vertraute ich darauf, dass es mich schützt.“


Auf dem Weg nach Jugoslawien wurde der Zug, in dem Josef und seine Kameraden saßen, von Tieffliegern angegriffen. „Ich sprang aus dem fahrenden Zug.“ Nicht wenige seiner Mitkämpfer starben. Der Soldat aus Doren jedoch überlebte die Bombardierung. Auch den Partisaneneinsatz und die halbjährige Kriegsgefangenschaft überstand Josef ohne Verletzungen. Mit inneren Wunden, die ihm der Krieg geschlagen hatte, kam der junge Mann im September 1945 abgemagert heim. „Welch große Freude daheim, der einzige Sohn kam wieder gesund nach Hause.“

Nach dem Krieg übernahm Josef die Landwirtschaft. „Nebenbei habe ich meinem Vater in der Werkstatt geholfen und das Küferhandwerk gelernt.“ 1947 stellte ihn das Leben erneut vor unbarmherzige Tatsachen. Josef verlor seine Mutter. „Mama starb nach einer Kopfoperation. Sie war erst 58 Jahre alt.“ Schon damals war ihm sein Glaube ein Halt. „Ich habe Mamas Tod akzeptieren können, weil Gott es so wollen hat.“ Auch später in seinem Leben tat er sich nicht schwer im Annehmen seines Schicksals, weil er überzeugt ist, dass immer das Beste passiert, aus Gottes Sicht.


Der schwerste Schicksalsschlag war für ihn der Tod seiner Frau. Mehr als 50 Jahre teilte er mit Emma, die ihm vier Kinder schenkte, das Leben. „Aufgrund einer Blutung im Rückenmark war Emma zum Schluss vom Hals abwärts gelähmt. So wollte sie nicht weiterleben. Ihr einziger Wunsch war, erlöst zu werden. Gott hat sie erhört. Sie starb im Oktober 2013.“ Vor ihrem Tod brachte er ihr noch das Gebet ins Spital, das ihm seine Eltern einst anvertraut hatten und ihn gut über die Kriegswirren brachte. Heute hat er es im Nachtkästchen verwahrt.

Auch der Tod seiner Tochter Anni im Vorjahr setzte ihm arg zu. „Aber mein Leben muss weitergehen. Und das kann es auch, denn ich bin bestens aufgehoben bei meinem Sohn Bruno und meiner Schwiegertochter Ingrid.“ Freilich: Die Verlustschmerzen konnte ihm auch seine Familie nicht abnehmen. Aber Josef wusste, wie er sich vom Schmerz ablenken konnte. Intuitiv widmete er sich noch mehr seiner Arbeit, die für ihn Berufung ist.
Der 96-Jährige hat nach der Pensionierung vor 36 Jahren nicht aufgehört zu arbeiten. Jeden Werktag geht der Handwerker, der nur auf dem Papier hochbetagt ist, in seine Küferwerkstatt und fertigt unter anderem Kommoden, Kleiderschränke, Schemel, Vogelhäuschen oder Kindertische an. Aber er macht auch Flickarbeiten, repariert Stühle oder Tische.

Sein Weg zum Küfer war durch seinen Vater vorgezeichnet. 1954 legte Josef die Gesellenprüfung ab, 1966 bestand er die Meisterprüfung im Küfergewerbe. Einige Jahre später vergrößerte er die Werkstatt. „Das Küferhandwerk war langsam am Aussterben. Man brauchte keine Mostfässer, kein Waschgeschirr und keine Badezuber mehr. Auch die Sennereien benötigten kaum noch Behälter und Gefäße aus Holz. Deshalb stellte ich auf Tischler-Arbeit um und machte Fenster, Türen und Kleiderkästen.“


Die Arbeit erfüllt ihn derart, dass er am liebsten bis zu seinem Todestag arbeiten würde. „Ich würde nicht ungern in der Werkstatt sterben.“ Vor dem Tod hat der rüstige Wälder keine Angst. „Er kann heute kommen. Ich gehe dann ja aufwärts, zum Herrgott, der mir immer ein Halt gewesen ist. Dann sehe ich meine Frau, meine Tochter und meine Eltern wieder.“
Josef Lässer
geboren 17. Jänner 1927 in Doren
Wohnort Doren
Familie verwitwet, vier Kinder, acht Enkel
Hobbys Werkstatt, Lesen, gut essen


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