Ein Kraftwerk im geschützten Lebensraum

Naturschützer wollen die wilde Lutz im Großen Walsertal nicht dem Energiehunger der Gesellschaft opfern.
Dornbirn, Sonntag Im Bereich der oberen Lutz, dem Hauptfluss des Großen Walsertals, soll ein Wasserkraftwerk entstehen. Dagegen regt sich Widerstand von Naturschützern, sie sehen im Kleinkraftwerk einen größeren ökologischen Schaden als Nutzen. Man sei nicht grundsätzlich gegen jedes Projekt, sondern man müsse Kosten und Nutzen abwägen. Hier brauche es auch eine breite Diskussion im Tal.
Netzwerk Lebensraum Lutz
Daher gründet sich nun ein Netzwerk Lebensraum Lutz, bestehend aus dem Alpenverein Vorarlberg, Alpenschutzverein, Initiative Ludesch, Naturfreunde Vorarberg, Naturschutzbund und dem Vorarlberger Naturschutzrat. Geplant ist ein Kraftwerk mit einer Leistung von 16 Gigawattstunden (GWh), dies entspricht etwa dem Bedarf von 4600 Haushalte. Vonseiten des Unternehmens, dass die Kraftwerkspläne vorangetrieben hat, will man sich nicht zu den Plänen äußern. Die ebenfalls beteiligten Illwerke Vkw verweisen auf die Strategie Energieautonomie+ 2030: Diese sehe einen Ausbau der erneuerbaren Energie aus Wasserkraft um rund 100 GWh bis 2030 vor. Hier sei das Kleinkraftwerk ein wichtiger Baustein.
Naturschutz versus Energieausbau
Für das Netzwerk spricht in erster Linie der Standort gegen den Neubau: Schließlich würde es in der Kernzone des Biosphärenparks Großes Walsertal entstehen, die Lutz sei in diesem Bereich eines der letzten naturbelassenen Gewässer Vorarlbergs. „Das ist ein Flussjuwel“, betont Franz Ströhle vom Alpenschutzverein. „Wir glauben auch, dass der Nutzen im Verhältnis zum Schaden in keinem Verhältnis steht.“ Doris Zucalli von den Naturfreunden sieht einen Trend zur Beschneidung von Naturzonen, wie bei der Landesgrünzone nun mit der hier unregulierten Lutz bei „einer der letzten wilden“ Zonen im Land.
Der Bau von Kraftwerken ist in diesem Bereich eigentlich untersagt. „Das ist schlichtweg verboten“, betont Christoph Aigner von der Initiative Ludesch. Jede Änderung könnte den Verlust des Schutzstatus auch für das restliche Areal mit sich bringen. Das Kraftwerk brauche ein Druckrohr, da die Lutz oft zu wenig Wasser für ein Flusskraftwerk führt. Dies werde durch den Schneemangel und fehlende Schneeschmelze nicht mehr. Und das kalkulierte Restwasser für die Lutz stelle an vielen Tagen das absolute Minimum für die vier Kilometer lange Restwasserstrecke zwischen Sonntag und Raggal dar und bedrohe damit das Biotop und dessen Einwohner. Durch bauliche Ersatzmaßnahme lasse sich dies nicht wettmachen, sind sie überzeugt.
Kurzum, ein Kleinkraftwerk bringe mehr Schaden für den Lebensraum als Gewinn für die Energiewende und -autarkie Vorarlbergs, sind die Naturschützer überzeugt. Dies sei auch angesichts des ohne Schnee rückläufigen Wassermengen nur durch eine gewaltige Reduktion des Energieverbrauchs erreichbar, nicht durch Kleinkraftwerke. „In dem Energiewahn, wenn ich das so sagen darf, wird oft vergessen, was dafür zerstört wird“, erklärt Hildegard Burtscher vom Naturschutzrat.
Das Netzwerk habe daher bereits im April 2022 interveniert und ein Evaluation durch ein unabhängiges gewässerökologisches Büro und ein Konzept zur möglichst naturnahen Flussentwicklung gefordert. „Das muss man seriös machen“, fordert Aigner. „Das gebietet einfach die Qualität der Sache.“ Die Bundesaufsichtsbehörde habe bereits auf das Bauverbot hingewiesen.
Biosphärenpark außer Frage
Auch vom Land und selbst der VKW habe man Zusicherungen, die Zukunft des Biosphärenparks nicht gefährden zu wollen. „Zu den Projektüberlegungen gibt es einen engen Austausch mit der Regio Großes Walsertal, den Bürgermeistern der Region, dem Biosphärenpark und den Grundeigentümern“, betont Andreas Neuhauser von den Illwerken Vkw. „Bezüglich eines möglichen Kraftwerksstandortes in der Kernzone des Biosphärenparks Großes Walsertal wird im Einvernehmen mit den Gemeinden geprüft, inwieweit gute ökologische Lösungen und Ausgleichsmöglichkeiten zu finden sind. Der Status und die Ziele des Biosphärenparks und die Ziele der Energieautonomie Vorarlbergs sollen in Einklang gebracht werden können.“
Grundsatzentscheidung notwendig
Das Netzwerk erwartet für März eine Grundsatzentscheidung der Regio, diese hat es aber nicht so eilig (siehe unten). Diese Entscheidung müsse aus Sicht des Netzwerks unter all den bekannten Vorzeichen gegen das Kraftwerk ausfallen, sie fürchten aber, dass man einen Mittelweg suchen wird. Daran hänge aber nicht nur die Zukunft des Schutzstatus, sondern mit diesem auch Fördergelder für die Region und Lebensqualität im Tal. Und schlussendlich ginge es wie auch bereits in Ludesch um die Frage, wem das Wasser gehört und wie die immer rarere Lebensquelle künftig genutzt werden soll.

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